Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13
zm 109, Nr. 13, 1.7.2019, (1460) Schmerzmittel, Antibiotika, Blutdrucksenker – in Deutschlands Apotheken fehlen immer öfter wichtige Medikamente. Magdalene Linz, Moderatorin der Veranstaltung und Präsidentin der niedersächsischen Apotheker- kammer, berichtete von 170 Arzneimitteln, die derzeit nicht lieferbar seien. Das Bundes- amt für Arzneimittelsicherheit (BfArM) nannte noch höhere Zahlen: 226 Meldungen zu Arzneien liegen demzufolge dort vor, bei denen eine eingeschränkte Verfügbarkeit oder ein Lieferengpass besteht. Für diese Versorgungslage machen Kritiker auch die Rabattverträge verantwortlich. Seit 2007 können Krankenkassen derlei Verträge mit Arzneimittelherstellern abschließen – und damit Milliardenbeträge einsparen; allein im vergangenen Jahr laut Berechnungen des Deutschen Apothekerverbands (DAV) mehr als vier Milliarden Euro. Welche Folgen die Monopolstellung einzel- ner Hersteller auf die Medikamentenversor- gung hat, führte Dr. Michael Horn, Leiter der Abteilung Zulassung im BfArM in Bonn, aus. „Konzentrationsprozesse führen dazu, dass Produktionsausfälle einzelner Hersteller immer häufiger unmittelbare Auswirkungen auf die Patientenversorgung haben.“ Verantwortlich für die Lieferengpässe seien zu 80 Prozent Produktionsausfälle, hinzu kämen Qualitätsmängel und steigende Bedarfe, etwa beim Schmerzmittel Ibuprofen. Als Beispiel nannte Horn die Lieferschwierigkeiten bei Valsartan. Der Wirkstoff des blutdrucksen- kenden Mittels wurde in Deutschland vor- wiegend von einem chinesischen Hersteller bezogen. Im Juli 2018 wurde die Verunreini- gung bestimmter Chargen mit einer als krebs- erregend geltenden Substanz aufgedeckt. Die Folge: Die betroffenen Fertigarzneimittel wurden in Europa und Nordamerika vomMarkt genommen. Hierzulande waren Horn zufolge über 40 Prozent des Marktes betroffen. Auch bei Ibuprofen bestehen aktuell Liefer- engpässe, konkret bei den Filmtabletten 400, 600 und 800 des Herstellers AL. Der Wirkstoff des Schmerzmittels wird weltweit nur von sechs Herstellern produziert. Horn: „Angesichts die- ser Beispiele kann man nur vor den Risiken der Konzentrationsprozesse bei der Arznei- mittelherstellung warnen.“ Er forderte, die Abhängigkeit von Wirkstoffherstellern auf- zulösen. „Natürlich geht das nicht von jetzt auf gleich, aber in den nächsten fünf bis zehn Jahren. Wir müssen der Monopolisierung der Produktion von Arzneimitteln in Indien oder China etwas entgegensetzen.“ Beobachtbar sei zudem ein massiver Anstieg der gemeldeten Lieferengpässe über die vergangenen fünf Jahre: Gab es 2013 noch 40 gemeldete Lieferengpässe, sind es 2018 schon über 264 Meldungen, davon betrafen allein 118 Meldungen Valsartan. Horn zufolge gehen die gestiegenen Meldezahlen auch auf verschärfte Meldekriterien und ein ver- bessertes Meldeverhalten zurück. Arzneimittelknappheit ist mittlerweile Tagesgeschäft Dass man sich von Wirkstoffherstellern mit Monopolmacht abkoppeln sollte, bekräftigte Prof. Frank Dörje, Präsident des Bundesver- bands Deutscher Krankenhausapotheker e. V. (ADKA). Arzneimittelknappheit sei mittler- weile Tagesgeschäft. „In den 90ern gab es das Thema gar nicht. Aber mittlerweile be- richten schon Publikumsmedien darüber“, sagte Dörje. „Die Situation im Krankenhaus- bereich ist dramatisch.“ Die Ursachen von Lieferschwierigkeiten seien allerdings multikausal und nicht ausschließ- lich in der Konzentration von Produktions- stätten – vornehmlich in Fernost – zu sehen. Ein global agierender Handel unter starkem Kostendruck spiele ebenso eine Rolle wie Arzneimittelversorgung Hinter jeder fehlenden Packung steht ein Patient Berichte über Arzneimittelfälschungen, Qualitätsprobleme bei Medikamenten und Versorgungsengpässe etwa beim Schmerzmittel Ibuprofen machten in jüngster Zeit die Runde. Ist die Arzneimittelversorgung der Patienten noch sicher? Diese Frage stellte die Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen e. V. (GRPG) am 12. Juni in Berlin. ... weil der Apotheker statt eines nicht lieferbaren Generikums das Mittel eines anderen Herstellers ausgegeben hätte“, konstatierte Dr. Siegfried Throm vom Ver- band der forschenden Pharmaunterneh- men (vfa). Aus seiner Sicht sind Engpässe extrem selten, gemessen an den mehr als 40.000 verschiedenen Medikamenten im Apothekensortiment. Als Ursachen benannte er Ausfälle von Produktionsanlagen oder der IT, Umrüs- tungen durch die Anpassung an geänderte behördliche Anforderungen, Sanierungs- maßnahmen und die Sperrung von Pro- duktionschargen wegen Mängeln oder Rückruf. Um Lieferengpässe zu vermeiden, investierten die Unternehmen hohe Sum- men in ihre Produktionsanlagen und ar- beiteten eng mit den Zulassungs- und Über- wachungsbehörden zusammen. Die Politik müsse für die Arzneimittelversorgung adäquate Rahmenbedingungen schaffen, die Krankenkassen ihre Einkaufspolitik und Erstattungsregelungen ändern. \ „Früher wären Lieferengpässe meist nicht aufgefallen“ Verband der forschenden Pharmaunternehmen Foto: AdobeStock_ Andy Dean 22 Politik
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