Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13
zm 109, Nr. 13, 1.7.2019, (1468) A uf den Pra- xisstühlen von Zahnärzten und Kieferorthopäden nimmt in Deutschland der Querschnitt der gesamten Bevölkerung Platz. Dies spricht zum einen für unser Gesundheitssystem, zum anderen aber auch dafür, dass sich Ärztinnen und Ärzte und ihre Mit- arbeitenden mit allen Phänomenen der heutigen Zeit auseinandersetzen müssen. Während das tatsächliche Risiko, Opfer einer Ge- walttat zu werden, seit Jahren stetig zurückgeht, steigt offenbar zugleich die Bereitschaft zu „ver- baler Gewalt“. Neben per- sönlichen Anfeindungen, handfesten Beleidigungen oder auch der Androhung von Tätlichkeiten – die es so natürlich auch schon in der Vergangenheit gab – geschieht dies heute immer häufiger „virtuell“: in Form von anonymen oder auch namentlichen Postings in sozialen Netzen, drohenden E-Mails oder eben auch in Form von negativen Bewertun- gen auf Arztplattformen oder Such- diensten wie „Google Maps“. Es muss ohne Meinungspolizei gehen Gerade solche „Schmähbewertungen“ sind für die Betroffenen sehr ärgerlich, denn eine „1-Sterne-Bewertung“ ist schnell vergeben und zieht das Rating des Betroffenen insgesamt herunter. Und dass dies negativen Einfluss auf die Entschei- dungen von Patienten bei der Arztwahl hat, dürfte heute kaum noch jemand ernsthaft bestreiten. So ärgerlich das für die Betroffenen Praxis- inhaber ist: Zunächst einmal ist man gut be- raten, sich selbst um dieses Problem zu kümmern. Denn eine staatliche Kontroll- behörde oder auch nur eine Pflicht für die Internetbetreiber, jede öffentliche Meinungs- äußerung auf Konstruktivität oder gar sach- liche Richtigkeit zu prüfen, bevor sie verbrei- tet wird, existiert aus gutem Grund nicht. Viel zu wichtig ist der „freie Meinungs- kampf“ für eine offene Gesellschaft und die Demokratie, als dass man es einer staatlichen „Meinungspolizei“ oder einem privaten „Hilfssheriff“ überlassen dürfte, die Grenzen des Sagbaren zu bestimmen. Auch wenn es einen persönlich in der Betroffenheit natürlich stört: Selbst undiffe- renzierte Kritik, eine „scharfe Sprache“ oder sogar hasserfüllte Meinungen müssen grundsätzlich zulässig bleiben, solange die Grenzen des Rechts nicht überschritten wer- den. Daher gilt – nicht allein im Internet oder in den Sozialen Medien: Persönlich- keitsrechte sind höchstpersönliche Rechte. Wer sich nicht beleidigt fühlt, muss nicht dagegen vorgehen. Genauso gilt aber auch umgekehrt: Wer sich in seinen Persönlich- keitsrechten verletzt sieht, muss selbst Akti- vität entfalten, um Hilfe durch den Rechts- staat bekommen zu können. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Artikel 5 des Grundgesetzes schützt die freie Rede jedoch nicht grenzenlos: Der Gesetzgeber und die Gerichte haben über die Jahrzehnte in Deutschland ein recht differenziertes Sys- tem etabliert, wonach in jedem Einzelfall ab- zuwägen ist, was an öffentlichen Äußerun- Hatespeech in der Praxis Bedrohung, Beleidigung und Verleumdung sind strafbewehrt „Sehr geehrte Damen und Herren, Diese Woche ist ein Vorfall in meiner Praxis passiert, der vielleicht auch andere Kollegen interessieren wird. Nachdem ich einem Patienten Haus- verbot erteilt habe, weil er mich beschimpft und beleidigt hatte, hat er folgenden Eintrag kurz darauf bei Google eingestellt: Hierbei stellte sich für mich die Frage: Darf ich der Polizei die Daten des Patienten zur Verfügung stellen, wenn ich diesen Patienten verdächtige? Warum prüft Google den Eintrag nicht vor Veröffentlichung? Nach Meldung wurde der Eintrag 24 Stunden später entfernt. Es zeigt die Gewaltbereitschaft einiger Mitmenschen auch gegenüber Zahnärzten und Kieferorthopäden.“ Dieser Leserbrief erreicht vor Kurzem die Redaktion. Nachfolgend eine juristische Einschätzung des auf IT- und Medienrecht spezialisierten Rechtsanwalts Jan Mönikes. Foto: privat 30 Praxis
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