Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13
zm 109, Nr. 13, 1.7.2019, (1469) gen zulässig und vom Betroffenen hinzu- nehmen ist. Bedrohung, Beleidigung, Ver- leumdung etwa sind bei Strafe verboten. Sofern kein gesetzliches Verbot besteht, ist jedoch jede öffentliche Äußerung zulässig, sofern das Schutzinteresse der Person über die erkennbar berichtet wird, das Interesse des Berichtenden an der Veröffentlichung nicht überwiegt. Die Rechtsprechung hat dabei Fallgruppen ausgearbeitet, in denen von einem Überwiegen des Schutzinteresses zugunsten einer Äußerung auszugehen ist: Eine öffentlich verbreitete Äußerung fällt unter keine dieser Fallgruppen, wenn sie wahrheitsgemäß ist, keine Schmähkritik darstellt, nicht die Privatsphäre des Klägers betrifft und keine Prangerwirkung entfaltet. Insoweit ist ein Arzt durch das Patienten- geheimnis und das Verbot des § 203 StGB grundsätzlich gehindert, völlig frei in der Öffentlichkeit über einen Patienten zu sprechen, dieser aber nicht, die Leistungen seines Arztes subjektiv öffentlich zu bewer- ten. Tut er das im Rahmen einer der bekann- ten Plattformen wie etwa jameda, treffen allerdings auch diese Pflichten. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) solchen Platt- formen etwa aufgegeben, die Beschwerde eines Arztes über eine (mutmaßlich) falsche Bewertung seinem vorgeblichen Patienten zur Stellungnahme zu übersenden und des- sen Behauptung, Patient des betroffenen Arztes zu sein, durch Belege zu überprüfen und auch dem Arzt (anonymisiert) zur Prüfung vorzulegen. Erfolgt das nicht, kann der Arzt die Plattform zwingen, die weitere Verbreitung solcher Patientenbewertungen zu unterlassen (BGH, Urteil vom 1. März 2016, Az.: VI ZR 34/15). Dieser Fall ist klar: Der vorliegende Fall ist insoweit also recht- lich einfach zu lösen: Ein anonym „rezensierender“ Patient, der den betroffenen Arzt als „absolut behinderte Drecks Praxis“ schmäht, dürfte recht ein- deutig den Rahmen zulässiger Kritik ver- lassen, spätestens wenn er droht, dass er „am liebsten alle abstechen“ würde. Unab- hängig davon, ob hier schon die für eine Bedrohung im Sinne des § 241 StGB ge- forderte „Ernstlichkeit“ vorhanden ist oder nicht, dürfte eine kurze Meldung des betroffenen Arztes oder eines von ihm damit Beauftragten unter dem vom Portal- Betreiber Google dafür bereitgehaltenen Link: (https://support.google.com/legal/ contact/lr_legalother?product=googlemy- business) bereits genügen, damit ein solcher Eintrag recht rasch aus dem Internet ver- schwindet – wie es hier ja auch geschehen ist. Dass Google oder jeder andere Portalbetrei- ber Einträge nicht schon vorab prüft, liegt dabei auf der Hand: Die schiere Menge, die heute von Bürgerinnen und Bürgern an Informationen im Internet veröffentlicht wird, würde jede noch so große Redaktion überfordern. Denn – anders als bei der be- wussten Entscheidung einer Zeitung, ob sie Leserbriefe veröffentlichen will oder nicht – Internetplattformen sind eben gerade keine journalistisch-redaktionellen Medien, sondern vielmehr, vergleichbar einem Post- dienstleister, zum wertneutralen Transport von Informationen berufen. Die Plattformen sind reine Meinungstransporteure Fordert man anderes, würde man sie zu einer Kommunikationskontrolle und Vorab- zensur verpflichten, die mit unserem Grund- gesetz kaum vereinbar wäre. Gerade weil man sie damit zugleich in einer Weise er- mächtigen würde, die für eine demokra- tische Gesellschaft kaum erträglich wäre: Unternehmen wie Google und Facebook würden damit in die Rolle einer Art globaler „Superverleger“ gedrängt, die nach ihrem Standard festlegen könnten, was noch an öffentlicher Kommunikation möglich wäre – egal wie sich der lokale Gesetzgeber und sei- ne Bürger demokratisch entscheiden. Die Frage nach der Eindämmung der Weiterverbreitung einer solchen rechts- widrigen Rezension ist zudem von der Frage nach der Strafbarkeit eines drohenden Patienten zu trennen: Anzeigen könnte man die von dem ja namentlich bekannten Patienten in der Praxis erfolgte Beleidigung. Hierzu darf man zum Zwecke des Straf- antrags selbstverständlich dessen Namen der Polizei übermitteln und alle für eine Strafverfolgung notwendigen Angaben machen. Die ärztliche Schweigepflicht tritt hier gegenüber dem berechtigten Interesse des Arztes als Betroffenem zu einer effek- tiven Rechtsverfolgung zurück. Aber Achtung: Da die „Google-Rezension“ anonym erfolgt ist, liegt ein (mindestens zeitlicher) Zusammenhang zwischen den Geschehnissen zwar nahe – solange der Betroffene über die Identität des „Rezen- senten“ jedoch nicht sicher ist, sollte dieser Vorgang besser nur im Zusammenhang mit der ersten Anzeige als gegebenenfalls separater Strafantrag gegen „Unbekannt“ gestellt werden, denn auch die „falsche Ver- dächtigung“ ist mit Strafe bedroht. Diesem unnötigen Risiko sollte sich der Arzt nicht aussetzen. Denn die Ermittlungsbe- hörde wird – soweit sie den Betroffenen nicht gleich auf den Weg der Privatklage verweist, weil sie kein „öffentliches Interes- se“ an der Strafverfolgung erkennen will – selbst besser überprüfen können, ob die Identität des „Anonymus“ mit bei der Inter- net-Plattform gespeicherten Daten hinrei- chend rechtssicher festgestellt werden kann oder nicht. Jan Mönikes ist ein auf Fragen des IT- und Medienrechts spezialisierter Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Schalast Rechtsanwälte in Berlin. Er berät zahlreiche Ärzte und Organisationen u. a. in Fragen des Internet- und Datenschutzrechts und ist Schriftleiter des Portals www. datenschutz-in-arztpraxen.de . jan.moenikes@schalast.com Porträt: Katja Julia Fischer 31
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