Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13
zm 109, Nr. 13, 1.7.2019, (1472) Zahnhartsubstanz. Wird diese Oberfläche nun durch mechanische Interaktion abra- diert, spricht man von erosivem Zahn- hartsubstanzverlust, „erosive tooth wear“ [Shellis et al., 2011]. Es kann aber bei über- mäßigem Kontakt mit Säure auch ohne mechanische Belastung ein Zahnhartsub- stanzverlust auftreten, der definitionsgemäß der Zahnerosion angehört – zum Beispiel im Rahmen einer beruflichen Exposition oder bei gehäuftem Erbrechen [Schlueter und Tveit, 2014]. Die Trink- und Ernährungsgewohnheiten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert, der Konsum von sauren Lebens- mitteln und Getränken gehört vielerorts zum Alltag. Erosionen und erosiver Zahn- hartsubstanzverlust stellen daher ein immer größer werdendes Problem dar und deren Prophylaxe gewinnt an Bedeutung. Erwäh- nenswert ist, dass eine substanzielle Wieder- erhärtung demineralisierten Schmelzes durch im Speichel gelöste Mineralsalze Tage bis Monate braucht, um abrasiven Prozes- sen wie Zahnreinigung oder Kontakt von Zunge und Wange zu den Zähnen zu wider- stehen. Man sollte deshalb von der Empfeh- lung Abstand nehmen, nach dem Essen mindestens 30 Minuten mit dem Zähne- putzen zu warten, denn solche Wartezeiten sind vor dem Hintergrund der benötigten, viel längeren Remineralisationszeiten nicht von Nutzen [Bartlett et al., 2013; Lussi et al., 2014; O‘Toole et al., 2017; Steiger-Ronay et al., 2018]. Das sollte auch in der Patienten- kommunikation berücksichtigt werden – bei- spielhaft sei hier die Broschüre „Prophylaxe von Erosionen“ der Universitäten Zürich und Bern sowie des Kompetenzzentrums Adipositas, Essverhalten und Psyche ge- nannt (www.zzm.uzh.ch/de/patienten/ downloads ). Nach Erbrechen oder Reflux kann man den Mund sofort mit Wasser spülen, um die Ma- gensäure zu verdünnen und deren erosiven Effekt zu mindern [Lussi et al., 2012b]. Die Ursache des Erbrechens sollte mithilfe von Fachkollegen schnellstmöglich diagnostiziert und behandelt werden. Daneben gibt es viele andere wichtige Risiko- und schützende Faktoren, die unbedingt zu beachten sind (Abbildung 1) [Lussi et al., 2005]. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine Übersicht der Erosivität respektive des erosi- ven Potenzials von insgesamt 116 Getränken und Speisen zu geben. Ferner werden auch die Eigenschaften verschiedener häufig kon- sumierter Medikamente aufgeführt. Die vor- liegenden Daten beruhen zum einen auf den Resultaten früherer Untersuchungen [Lussi et al., 2012a; Lussi und Carvalho, 2015], zum anderen auf neuen Unter- suchungen mit weiteren Produkten, deren erosive Eigenschaften bislang noch nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wurden. Dabei werden bei den Produkten detaillierte Angaben der verschiedenen gemessenen und berechneten physikalischen und che- mischen Parameter gegeben und es wird zusätzlich eine zusammenfassende Beur- teilung des erosiven Potenzials aufgeführt. Geplant ist, diese Tabellen mit weiteren Produkten zu ergänzen und periodisch zu publizieren. Material und Methoden Herstellung der Schmelzprobekörper Aus einem Pool von extrahierten Zähnen wurden 1.020 kariesfreie Prämolaren und 300 Milchzähne ohne Risse an den bukkalen Hälften mithilfe eines Stereomikroskops aus- gewählt. Nachdem die Kronen von den Wurzeln getrennt wurden, wurden die buk- kalen Seiten unter Wasserkühlung auf einer LaboPol-21-Poliermaschine (Struers, Ballerup, Dänemark) so geschliffen, dass im Zentrum der freiliegenden Fläche exakt 200 µm Schmelz abgetragen wurden. Die Ober- flächen wurden bis zu einer Körnung von 3 µm poliert und danach bis zum Versuch in einer Aufbewahrungslösung gelagert. Abbildung 1: Die Ätiologie dentaler Erosionen und des erosivem Zahnhartsubstanzverlusts ist vielfältig: Schützende und fördernde Faktoren auf der Patientenseite und auf der Ernährungsseite müssen berücksichtigt werden [modifiziert nach Lussi et al., 2005]. Quelle: Adrian Lussi 34 Fortbildung Ernährung und Mundgesundheit
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