Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 109, Nr. 13, 1.7.2019, (1473) Direkt vor Versuchsbeginn wurden die Probekörper einer Endpolitur mit der Kör- nung 1 µm während einer Minute unter- zogen (LaboPol-6, DP-Mol Polishing Cloth, DP-Stick HQ, Struers, Kopenhagen, Däne- mark). Das Prozedere entsprach dem einer bereits in 2012 publizierten Untersuchung [Lussi et al., 2012a]. Härtemessung Die Bestimmung der oberflächlichen Mikro- härte erfolgte mit der Härtemessung nach Vickers. Diese Methode ist neben der Härte- messung nach Knoop in der zahnärztlichen Forschung etabliert. Die Ausgangshärte der verschiedenen Schmelzprobekörper variiert von Zahn zu Zahn. Um den Vergleich zu ermöglichen, werden in dieser Arbeit die Resultate in Prozent bezogen auf die Aus- gangshärte dargestellt. Das Vorgehen bei der Härtemessung war wie folgt: Ein Vickers- Diamant wurde 15 Sekunden mit einer Kraft von 50 mN (Fischerscope HM 2000 XYp; Helmut Fischer, Hünenberg, Schweiz) auf die Schmelzoberfläche gepresst, danach die Vickers-Härte automatisch aufgrund der Ein- dringtiefe berechnet. Bei jedem Messschritt wurden sechs Abdrücke ausgemessen und daraus der Mittelwert berechnet. Dieser Wert wurde für die weiteren Berechnungen verwendet. Dieses Prozedere wurde ver- wendet, um die Variationen der Schmelz- härte zu berücksichtigen. Pro Produkt wur- den jeweils zehn Probekörper gemessen. Wir haben in diese Zusammenstellung sowohl bleibende Zähne als auch Milchzähne inte- griert. Die Frage, ob Milchzähne anfälliger als bleibende Zähne auf erosive Deminerali- sationen sind, wird in der Literatur wider- sprüchlich diskutiert [Carvalho et al., 2014]. Wir konnten in einer vor Kurzem publizier- ten Untersuchung zeigen, dass im experi- mentellen Modell, das auch hier verwendet wurde, kein Unterschied zwischen bleiben- den und Milchzähnen bestand [Lussi und Carvalho, 2015]. Auch in einer anderen Untersuchung mit ähnlichem Design und je 108 Milch- sowie 108 bleibenden Zähnen wurde mit einer einzigen Ausnahme kein Unterschied in der Anfälligkeit auf Erosionen von bleibenden und Milchzähnen festgestellt [Carvalho et al., 2017]. Trotzdem haben wir in der Tabelle vermerkt, ob die Messung an einem Milch- oder an einem bleibenden Zahn vorgenommen wurde. Versuchsablauf Von der gleichen gesunden Person ohne offene kariöse Läsionen mit normaler Speichelfließ- rate (stimulierte Fließrate 2,3 ml/min) wurde Paraffinwachs-stimulierter Speichel (Fluka; Sigma-Aldrich Chemie GmbH, München, Deutschland) unmittelbar vor der Messung gesammelt – jeweils um die gleiche Uhrzeit morgens in einem eisgekühlten Behälter. Eine Stunde vor einer Speichelentnahme durften die Probanden nichts mehr essen und keine koffeinhaltigen Getränke mehr trinken. Die Probekörper wurden dann für drei Stunden in diesen frisch gesammelten Speichel eingetaucht, um eine Pellikel zu bil- den. Nach der Bildung der Pellikel wurden die Probekörper jeweils in die entsprechende Lösung unter ständiger Bewegung (95 U/min) bei 30 °C (Schüttelbad Salvis; Renggli AG, Rotkreuz, Schweiz) gegeben. Benutzt wur- den immer 10 ml Lösung pro Probekörper. Nach zwei Minuten wurden die Probekörper der Lösung entnommen und Härtemessun- gen durchgeführt. Getestete Substanzen und Medikamente In der vorliegenden Studie wurden 116 be- liebte Getränke, Speisen und Medikamente einbezogen (Tabelle). Zur besseren Über- sicht wurden die Produkte in Gruppen ein- geteilt: Gruppe 1: Mineralwasser Gruppe 2: Softdrinks, Erfrischungsgeträn- ke, Limonaden Gruppe 3: Energiegetränke, Sportgetränke Gruppe 4: Früchte, Säfte, Smoothies Gruppe 5: Milchprodukte Gruppe 6: Tee, Eistee, Kaffee Gruppe 7: Alkoholische Getränke Gruppe 8: Medikamente Gruppe 9: Kinderartikel Gruppe 10: Verschiedenes Kohlensäurehaltige Getränke wurden durch Rühren entgast, weil die Blasen eine korrekte Durchführung der Experimente nicht ge- statten. Früchte wurden unmittelbar vor Be- ginn des Experiments zerkleinert/gepresst und der Saft wurde durch ein Sieb gefiltert. Tabletten und Pulver wurden in Wasser nach Herstellerangaben aufgelöst. Süßwaren wurden in deionisiertem Wasser (5,2 g in 10 ml) bei 45 °C unter Rühren aufgelöst und für das Experiment wieder abgekühlt. Kau- gummi wurde während fünf Minuten im Mörser in deionisiertem Wasser gemahlen (2 g in 10 ml) und die resultierende Flüssig- keit im Experiment verwendet. Klassifizierung des erosiven Potenzials Die chemischen Analysen (pH, Pufferkapazi- tät, titrierbare Säure, Fluorid-, Kalzium- und Phosphat-Konzentrationen) entsprachen denen aus einer 2012 publizierten Unter- suchung [Lussi et al., 2012a]. Der Grad der Über- respektive Untersättigung bezüglich Hydroxylapatit (HAP) wurde mit einem Computerprogramm berechnet [Lussi et al., 2012a]. Damit die Tabellen schnell einen Überblick über das erosive Potenzial der verschiede- nen Produkte geben, wurden sie in drei Gruppen eingeteilt. Ein Produkt wurde als nicht erosiv klassifiziert (Grad 0: ein Pfeil seitwärts ), sofern nach zwei Minuten eine Härtezunahme oder eine Härteabnahme von bis zu zwei Prozent beobachtet wurde. So wird der wichtigen Funktion des Speichels Rechnung getragen, der eine Anhebung des pH-Wertes bewirkt, die hier nicht simuliert werden konnte. Als erosiv (Grad 1: ein Pfeil nach unten ) wurden jene Produkte bezeichnet, die nach zwei Minuten bis zu 15 Prozent Härteverlust zeigten. Eine Härte- abnahme von mehr als 15 Prozent nach zwei Minuten wurde als deutlich erosiv (Grad 2: zwei Pfeile nach unten ) klas- sifiziert. Einschränkend muss angemerkt werden, dass diese Einteilung die vielen anderen Faktoren nicht berücksichtigt, die – wie oben schon beschrieben – für eine Ge- samtbeurteilung der Erosivität einbezogen werden müssen. Ergebnisse Tabelle 1 zeigt das abgeschätzte erosive Potenzial sowie chemische und physikalisch- chemische Parameter verschiedener Ge- tränke, Speisen und Medikamente. 35

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