Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 109, Nr. 13, 1.7.2019, (1508) „Tiere, die auf der Weide grasen, fressen mit den Pflanzenhalmen immer auch etwas Erde und Staub“, sagt Jean-Michel Hatt, Profes- sor an der Klinik für Zoo-, Heim- und Wild- tiere der Universität Zürich. In trockenen Regionen mit staubigen Winden ist dies besonders ausgeprägt – entsprechend be- ansprucht werden die Kauwerkzeuge. Sein Team hat entdeckt, dass unterschiedliche Mechanismen einen übermäßigen Abrieb der Zähne verhindern – und damit auch das Überleben der Tiere sichern. Im Pansen wird das Futter gereinigt Pferde oder Zebras zum Beispiel haben sehr lange Zähne entwickelt, um den durch Staub und Sand verursachten Abrieb aus- zugleichen. Rinder oder Gnus dagegen be- sitzen viel kürzere Kauinstrumente. „Man hat sich schon immer gefragt, warum Wie- derkäuer im gleichen Habitat mit kürzeren Zähnen auskommen“, erklärt Hatt. Letztere besitzen mit Pansen, Netz-, Blätter- und Lab- magen ein mehrkammeriges Magensystem, das die aufgenommene Pflanzennahrung mithilfe von Bakterien verdaut. Dieses umspült den Inhalt mit Flüssigkeit und sortiert in Material, das schon fein genug zerkleinert ist, und solches, das mit Magensaft umspült und zum erneuten Kauen wieder hochgewürgt wird. Man ver- mutete schon länger, dass der zu wieder- käuende Nahrungsbrei bereits von Staub und Sand befreit ist. Hatt und sein Team haben nun erstmals den Einfluss verschiedener Futtermittel auf den Zahnabrieb getestet. Die Forschenden beobachteten anhand von Computertomo- grafien bei Ziegen, dass der mitgefressene Sand nicht gleichmäßig im Magen-Darm- Trakt verteilt wird, sondern sich an be- stimmten Stellen sammelt. „Wir konnten zeigen, dass im oberen Pansen – wo das Material zum Wiederkauen wieder hochgewürgt wird – deutlich weniger Sand enthalten war als im aufgenommenen Fut- ter selbst“, erklärt Hatt. Was passiert mit dem Sand? Der Sand sinkt zuerst im Pansen nach unten und sammelt sich im Labmagen, passiert den Darm und wird dann mit dem unver- dauten Material im Kot ausgeschieden. „Organismen, die ein derartiges Spülsystem entwickeln, werden das abgewaschene Ma- terial problemlos auf natürliche Art wieder los“, sagt Hatt. Nur wenn die Tiere auf einmal eine große Menge Sand aufnehmen – zum Beispiel bei schlecht hergestellten Silagen mit ungewöhnlicher Kontamination durch Erde – können Komplikationen auftreten. Der Befund ist für Hatt ein weiteres Puzzle- stück, das den evolutionären Erfolg des Modells „Wiederkäuer“ erklärt. Es zeigt aus seiner Sicht auch, warum die Tiere das erste Mal viel weniger gründlich zerkleinern als später, wenn sie das saubere Material wiederkäuen. ck Literatur: Hatt J-M, Codron D, Müller DWH, Ackermans NL, Martin LF, Kircher PR, Hummel J, Clauss M (2019): The rumen washes off abrasives before heavy-duty chewing in ruminants. Mammalian Biology, June 12, 2019. Doi: 10.1016/j.mambio.2019.06.001. top Untersuchung der Universität Zürich Spülsystem im Magen schont die Zähne der Wiederkäuer Ziegen, Schafe und Kühe nehmen mit dem Fressen oft zahnschädigende Erd- partikel auf. Wie sich die Wiederkäuer vor zu schnellem Zahnabrieb schützen? Ihr Magensystem wäscht die aufgenommene Nahrung vor dem zweiten Kauen von Staub und Sand frei. Erfolgsmodell „Wiederkäuer“ Foto: Adobe Stock_Veresovich Der Sand sinkt im Pansen nach unten und sammelt sich im Labmagen, passiert den Darm und wird im Kot ausgeschieden. Foto: UZH 70 Gesellschaft

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