Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 109, Nr. 13, 1.7.2019, (1510) „Es kann Jahrzehnte dauern, bis sich Menschen mit einer Suchterkrankung um Hilfe bemühen“, sagt Dietmar Paul. Paul ist Chefarzt an der Klinik für Abhängigkeits- erkrankungen und Konsiliarpsychiatrie am Bürgerhospital Frankfurt am Main. Seit An- fang des Jahres ist er außerdem der ehren- amtliche Drogen- und Suchtbeauftragte der Landeszahnärztekammer und der Landes- ärztekammer Hessen. Unterstellt wird eine Charakterschwäche Ein Grund für die lange Erkrankungsdauer sei die Angst vor Stigmatisierung, berichtet sein Vorgänger, Dr. Siegmund Drexler: „Wenn jemand an Asthma leidet, sagt ihm jeder: ‚Mensch, das tut mir leid!‘. Bei Sucht- erkrankungen ist in unserer Gesellschaft oft die Haltung zu spüren: ‚Selber schuld!’. Be- troffenen wird damit eine gewisse Charak- terschwäche unterstellt – für ihre Heilung ist das sehr hinderlich“, berichtet der Internist und Kardiologie, der die Stelle des Drogen- und Suchtbeauftragten ab 2008 aufgebaut hat. ” Nach einer Alkoholfahrt wurde ich von den Behörden bei meiner Landeszahnärztekammer gemeldet. Ich bekam eine Einladung zum Gespräch mit dem Drogen- und Suchtbeauftragten, der ich auch folgte. Bei diesem Treffen schlossen wir einen Vertrag über die nächsten Schritte ab. Dazu gehörte, dass ich eine Therapie mache. Sie hat mir geholfen, die Zusammenhänge meiner Abhängigkeit zu verstehen, die in engem Zusammenhang mit einer depressiven Erkrankung stand. Ich begriff, dass ich meine Krankheit über all die Jahre mit Alkohol zu „therapieren“ versucht hatte. Die Verantwortung, die als Inhaberin einer Einzelpraxis für Personal, Abrechnung und Wirtschaftlichkeit auf meinen Schultern lastete, verschärfte das Problem. Jetzt bin ich seit zwei Jahren abstinent und besuche regelmäßig eine Selbsthilfegruppe. Ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe. Zahnärztin und Praxisinhaberin, 56 Jahre * Sucht bei Zahnärzten Falsche Freunde Wer von Alkohol, Pillen, Glücksspiel oder anderen Drogen abhängig ist, verheddert sich schnell in einem Netz aus Lügen, Schuldgefühlen und Kontroll- verlust. Das gilt auch für suchtkranke Zahnärzte und Zahnärztinnen. Welche Wege führen in die Sucht – und welche wieder heraus? Foto: iStock - LeszekCzerwonka 72 Gesellschaft

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