Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 109, Nr. 13, 1.7.2019, (1512) ” Ich litt vier Jahre lang unter Ein-und Durchschlafstörungen. Mein Hausarzt verschrieb mir daher auf Privatrezept das Benzodiazepin Lexotanil. Es half mir. Ich konnte entspannen und schlafen. Ich musste die Dosis aber schnell von einer halben auf 1,5 Tabletten pro Nacht steigern. Trotzdem blieb die Wirkung irgendwann aus. Außerdem bekam ich dauerhaft Rückenschmerzen, wogegen mir mein Hausarzt das Opioid Tilidin verschrieb. Zuletzt habe ich davon täglich bis zu 150 Milliliter genommen. Die Medikamente konnte ich mir selbst verschreiben. Damit das nicht auffällt, wechselte ich die Apotheken. Schließlich wurde ich aber doch von einer Apotheke gemeldet. angestellte Zahnärztin, 36 Jahre* Jede Abhängigkeits-Biografie ist – aus seiner Erfahrung – anders, dennoch gebe es Fak- toren, die das Entstehen einer Erkrankung befördern. So hätten 40 Prozent aller Men- schen im Lauf ihres Lebens mindestens eine schwere, psychische Krise. „Der Anteil von Menschen mit Problemen wie Depressivität, Kontaktproblemen oder Grübeln ist in der Bevölkerung recht hoch – mit einem ent- sprechenden Anteil auch unter Ärzten und Zahnärzten“, führt der Mediziner aus. „Dann kommt bei manchen Menschen etwas in Gang, das ich die Kette der Biologie der Sucht nenne: Das Suchtmittel reduziert Ängste und Grübeln, es produziert Glücksgefühle und erleichtert die Kommunikation mit anderen. Aber: Irgendwann geht es nicht mehr ohne Droge. Das Potenzial, in diese Kette zu gera- ten, trägt jeder Mensch in sich.“ Vor diesem Hintergrund findet der Sucht- experte es bedenklich, dass viele Mediziner und Medizinerinnen beim Abschluss einer privaten Krankenversicherung psychiatrische Erkrankungen ausschließen. „Blickt man auf die 40-prozentige Wahrscheinlichkeit, davon getroffen zu werden, ist das ein Fehler!“, urteilt Drexler. Der Zugriff auf Drogen kann zum Problem werden Abhängigkeit ist ein komplexes System. Sie entstehe im Zusammenspiel von Droge, Individuum, sozialem Umfeld sowie der Lebenssituation eines Menschen, betont auch Paul. „Hektik und Druck im Alltag von Ärzten und Zahnärzten sind sicherlich ein Risikofaktor“, meint der Psychiater. Gerade Kollegen und Kolleginnen, die eine Praxis gründen, müssten schnell in die schwarzen Zahlen kommen. Aber auch zu anderen Zeitpunkten im Lauf eines Berufslebens könne der Druck außerordentlich groß wer- den. Paul: „Ich erinnere mich an den Fall eines Arztes, dessen Leistungsfähigkeit im Alter abnahm. Das konnte er sehr schlecht akzeptieren. Manche Ärzte dopen dann. Dieser Arzt entschied sich schließlich jedoch dafür, jemanden zur Entlastung einzustellen. Das war kein einfacher Schritt für ihn.“ Viele suchtkranke Mediziner und Medizine- rinnen erlebten in ihrem Alltag Ohnmachts- gefühle, berichten sowohl Paul als auch Drexler. Wenn dann Coping-Strategien (Be- wältigungsstrategien) fehlten, um mit dem Stress und anderen belastenden Emotionen umzugehen, seien die Grenzen der Selbst- hilfe irgendwann überschritten. In einer solchen Situation könne es natürlich zum Problem werden, dass Mediziner nicht nur auf legale Suchtmittel wie Alkohol Zugriff haben, sondern auch auf Medikamente. \ Die Landeszahnärztekammer Mecklen- burg-Vorpommern beteiligt sich am Interventionsprogramm für suchtkranke (Zahn-)Ärzte/-innen (IVP) der Ärztekam- mer Mecklenburg-Vorpommern. Ansprechpartner: DS Gerald Flemming Tel.: 0381/695357 g.flemming@zaekmv.de Weitere Infos: www.zaekmv.de/de/zahn aerzte/services-fuer-zahnarztpraxen/ interventionsprogramm-fuer-suchtkranke/ \ Di e Landeszahnärztekammer Branden- burg beteiligt sich am Betreuungspro- gramm der Landesärztekammer Bran- denburg für suchtgefährdete Ärztinnen und Ärzte. Ansprechpartner: Dr. med. Wolf Schmidt Tel.: 0355/78010-321 Weitere Infos: www.laekb.de/files/ 1504BEDFE73/20181004_Flyer_ Hilfsprogramm.pdf \ Suchtbeauftragter der Landesärzte- kammer und Landeszahnärztekammer Hessen: Dietmar Paul Tel.: 069/97672-513 suchtbeauftragter@laekh.de Weitere Infos: www.laekh.de/aerzte/ adressen-und-links/drogen-und-sucht- beauftragter Hilfsangebote der Landeszahnärztekammern Foto: iStock - Hartmut Kosig 74 Gesellschaft

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