Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 109, Nr. 14, 16.7.2019, (1584) Probiotika abgegrenzt werden sogenannte Präbiotika und Synbiotika. Während Erst- genannten eine positive Wirkung – meist Wachstumsanregung – auf sich bereits im Darm befindliche Mikroorganismen zuge- sprochen wird, stellen Synbiotika eine Kom- bination aus beiden dar. Der postulierte Wirkmechanismus von Pro- biotika setzt zunächst die Überwindung der Magenpassage einer noch teilungsfähigen Bakterienmenge voraus. Im Darm können diese durch quantitative Verdrängung und Produktion von antibakteriellen Stoffen (Bakteriozine) einer Fehlbesiedlung mit Darmkeimen entgegenwirken. Möglicher- weise verdrängen sie aber gleichzeitig Teile der erwünschten Darmflora (Darmmikro- biom), wodurch das dort herrschende Gleichgewicht empfindlich gestört werden kann (siehe auch „Nebenwirkungen und Gefahren“). Neben Milchprodukten können zahlreiche fermentierte Lebensmittel lebende pro- biotische Bakterien enthalten, sofern diese nicht durch Pasteurisation oder Erhitzung abgetötet worden sind. Dazu zählen zum Beispiel Sauerkraut oder Sauerkrautsaft sowie der sogenannte „Brottrunk“ und die „Miso“-Paste – eine japanische Paste aus Sojabohnen und anderen Getreidebestand- teilen, bei der die Fermentierung durch einen Schimmelpilz erfolgt. Probiotische Mikroorganismen werden je- doch nicht nur in Lebensmitteln eingesetzt, sondern darüber hinaus in Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika. Für jeden dieser Verwendungszwecke exis- tiert ein eigener rechtlicher Rahmen, wobei die Vorschriften für den Lebensmittelbereich als moderat gelten können. Hier regelt die sogenannte „Health Claims“-Verordnung der EU (Verordnung-Nr. 1924/2006) ledig- lich, dass nährwert- und gesundheits- bezogene Angaben „sich auf allgemein akzeptierte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und durch diese abgesichert sein“ müssen [EU, 2006]. Darreichungsformen Derzeit eröffnet sich neben den klassischen Präparaten aus Supermarkt, Apotheke, Dro- gerie und Reformhaus, bei denen es sich vornehmlich um Nahrungsergänzungsmit- tel, diätetische Lebens- oder Arzneimittel handelt, ein riesiges Online-Angebot. Probiotika finden sich klassischerweise in zahlreichen, speziell mit Milchsäure- Abbildung 1: Die Zusammen- hänge zwischen Probiotika, Präbiotika und Synbiotika Quelle: N. Arweiler produzierenden Bakterien angereicherten (Trink-)Joghurts, Quarkspeisen, Käse, neuer- dings auch in Wurst oder Speiseeis. Sie stellen eine sehr heterogene Gruppe von Bakterien dar, die normalerweise ein Pro- zent oder weniger der Stuhlflora des er- wachsenen Menschen ausmachen. Pro- biotika sind aber auch in Form von Pulver, Suspensionen oder als Lutschtabletten kom- merziell erhältlich. Zunehmend weitet sich der Trend auf Körperpflege- und Mund- hygieneprodukte aus. Probiotika – zwischen Anspruch und Realität Seit der ersten Vorstellung durch Metschnikow (1910) sind Probiotika bezüglich ihrer Allergie- präventiven Eigenschaften, ihrer positiven Wirkung bei der Prävention und Therapie gastrointestinaler Krankheiten sowie ihrer positiven Beeinflussung der Immunabwehr mittlerweile intensiv erforscht. Aktuelle Metaanalysen konnten aber bislang noch kein einheitliches Urteil über eine signifikante Effektivität von Probiotika fällen [Vuotto et al., 2014; Fleming et al., 2015; Sinclair et al., 2016; Forsberg et al., 2016]. Hauptgrund dafür ist die Heterogenität der Produkte be- zogen auf die Dosis, das Vehikel und insbe- sondere die Auswahl des Keimes. Vuotto et al. resümieren, dass keines der Probiotika- Produkte einem anderen gleicht und auch innerhalb der gleichen Spezies verschiedene Bakterien-Stämme unterschiedliche Effekte haben können [Vuotto et al., 2014]. Über die Massenmedien werden Produkte an den Endverbraucher herangetragen, die – auch wenn nicht direkt mit Werbeaussagen verknüpft – doch Gesundheit und Wohl- befinden suggerieren. Des Weiteren werden sie in Zusammenhang mit der Behandlung diverser Allergien (zum Beispiel Neuroder- mitis, Asthma, Heuschnupfen), mit der Prä- vention und Behandlung von Depressionen, Lebererkrankungen, Morbus Crohn, Reiz- darm-Symptomen und Krebserkrankungen gebracht. Darüber hinaus sollen Probiotika zur Hautgesundheit beitragen und Anti- Aging-Effekte haben. Im Zuge des veganen Ernährungstrends sowie vermehrten Laktose- intoleranzen sind Milchprodukte in den ver- 38 Fortbildung Ernährung und Mundgesundheit
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