Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 109, Nr. 14, 16.7.2019, (1585) gangenen Jahren unpopulärer geworden, was tendenziell andere Darreichungsformen fördert. Therapiealternative in der Zahnmedizin? Trotz zurückgehender Prävalenzen in Deutschland gehören die dentalen Erkran- kungen Karies, Gingivitis und Parodontitis weltweit immer noch zu den am weitesten verbreiteten Infektionserkrankungen [Selwitz et al., 2007; Dye et al., 2012; Jordan & Micheelis, 2016] und können durchaus als „Volkskrankheiten“ bezeichnet werden. Während bei diesen Erkrankungen meist der Zahnverlust im Vordergrund steht, muss bedacht werden, dass es sich insbesondere bei der Parodontitis um eine chronische Erkrankung handelt, die eine andauernde Herausforderung für das Immunsystem und die Allgemeingesundheit darstellt [Pihlstrom et al., 2005]. Klassische antibakterielle Stra- tegien mit entsprechenden antibakteriellen Wirkstoffen, lokalen Antiseptika oder lokalen und systemischen Antibiotika konnten ihre präventiven und therapeutischen Effekte zeigen [Zandbergen et al., 2013; Chapple et al., 2015; Arweiler et al., 2018; Auschill et al., 2018]. Das trifft für Probiotika-Produkte bislang nicht zu. Dennoch sind Probiotika als Alternative für die Prävention und Therapie in der Zahn- medizin durchaus vorstellbar, denn die Mundhöhle beherbergt wie der Darm ein komplexes Mikrobiom, das prinzipiell durch die Zufuhr von Mikroorganismen beein- flussbar erscheint. Deshalb ist es nicht ver- wunderlich, wenn Probiotika in den vergan- genen Jahren verstärkt in die Zahnmedizin drängten. Aber auch hier müssen Probiotika erst einmal wissenschaftlichen Studien unterzogen werden, damit evidenzbasierte Aussagen getroffen werden können. Probiotika zur Prophylaxe oder als parodontale Begleittherapie Mit der wachsenden Zahl an Studien wird allerdings ein zunehmend inhomogenes Bild von der Wirksamkeit der Probiotika ge- zeichnet. Man sollte daher immer zunächst unterscheiden, ob die Prävention von Ka- ries, die Prävention und/oder Therapie der Gingivitis oder aber der Therapieausgang einer Parodontitis untersucht wurde. Mitt- lerweile gibt es verschiedene Übersichts- arbeiten, die die klinischen Effekte von Pro- biotika in der Kariesprävention sowie in der Prävention und Therapie von Gingivitis- und Parodontitis untersuchten [Teughels et al., 2008; Teughels et al., 2011; Laleman et al., 2014; Gruner et al., 2016]. Einige Reviews resümieren positive und signifikante Wir- kungen durch Probiotika. Teughels et al. bezogen in ihren Review drei Tier- und elf In-vivo-Humanstudien ein und schluss- folgerten, dass die Daten einen Effekt der Probiotika auf die orale Mikroflora zeigen, dieser Effekt auf parodontologische Para- meter aber sehr begrenzt sei. Sie betonen auch, dass es noch zu früh sei, um aus einigen wenigen statistisch signifikanten Ergebnissen auf eine klinische Signifikanz zu schließen [Teughels et al., 2011]. In der Folge kommen die Autoren zu drei weiteren interessanten Statements: Die (häufig) begrenzten klinischen Resul- tate könnten der Nutzung von Nahrungs- Laktobazillen als Probiotika der Wahl zu- geschrieben werden. Im Gegensatz dazu bieten bereits im menschlichen Darm vor- handene Bakterien den Vorteil, dass sie sich der humanen Ökologie angepasst haben. Die äußere Zufuhr von bereits in der Mundhöhle vorhandenen Bakterien sollte daher noch weiter erforscht werden. Eine probiotische Therapie sollte nicht als eine Behandlung gesehen werden, die die orale Mikroflora permanent ändern könnte. Es gibt einige Hinweise, dass der probiotische Effekt nur solange anhält, wie die Probiotika appliziert werden. Sobald sie nicht mehr eingenommen werden, verschwindet der Effekt, und es ist unwahrscheinlich, dass sich eine Ver- änderung hin zu einem stabilen, nicht- pathogenen Mikrobiom ergibt. Eine anti- biotische Vorbehandlung, um das körper- eigene Bakterienlevel zu reduzieren und dabei mehr Nischen für die Kolonisation von probiotischen Bakterien zu ermög- lichen, könnte eine gute Option sein, war Abbildung 2: Ob probiotische Lutschtabletten „zur Zahn- und Mundpflege“ (Dental Repair) oder probiotische Mundspülungen: Wie im Darm sollen die „guten“ Bakterien auch das orale Mikrobiom in ein positives Gleichgewicht bringen und damit die typischen dentalen Erkrankungen reduzieren helfen. Doch eindeutige wissenschaftliche Belege fehlen bislang. Quelle: N. Arweiler 39
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