Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 109, Nr. 14, 16.7.2019, (1586) aber in den meisten Studiendesigns nicht vorgesehen. Probiotika gelten als Nahrungsergänzungs- mittel und sind daher nicht den gleichen Standards wie Medizinprodukte unter- worfen. Daher könnten Konsumenten Produkte erhalten, die ineffektiv sind oder variierende Bakterienmengen enthalten. Probiotika zur Prophylaxe von Karies und in der Gingivitis-Therapie Im Gegensatz zum Statement von Teughels et al. konnten in zahlreichen Studien sig- nifikante Änderungen vor allem in kario- logischen Aspekten beziehungsweise Para- metern aufgrund der Zufuhr von probio- tischen Bakterien beobachtet werden. Die Untersuchungen wurden sowohl im Rah- men von Tierversuchen an Ratten [Michalek et al., 1981] bei Kindern [Näse et al., 2001; Stecksén-Blicks et al., 2009] oder auch in vitro, teilweise an menschlichen Isolaten, durchgeführt [Simark-Mattsson et al., 2007; Twetman et al. 2009; Comelli et al., 2002; Schwendicke et al., 2014a, 2014b, 2017]. Schwendicke et al. verweisen dabei auf eine limitierte Evidenz, da viele Studien Kurzzeit- Charakter oder eine beschränkte Wertigkeit bei analysierten Parametern für den Karies- prozess hätten, so beispielsweise eine Unter- suchung von Bakterienzahlen anstelle der Karies-Induktion [Schwendicke et al., 2014a]. Des Weiteren weisen sie auf die prinzipielle Kariogenität von Laktobazillen hin. In ihrer Studie mit einem Biofilmmodell konnten sie vor allem unter Zuckerzufuhr durch Lacto- bacillus rhamnosus GG einen signifikanten Mineralverlust in Dentinkavitäten bei gleich- zeitig fehlender Hemmung von Streptococcus mutans zeigen. Lodi et al. untersuchten in einer kombinierten In-vitro-/In-situ-Studie den Einfluss von zwei probiotischen, fermentierten Milchprodukten (Batavito und Yakult) auf Biofilme, die orale Mikroflora (Speichel) sowie den Zahnschmelz [Lodi et al., 2015]. Dabei trugen zehn Pro- banden in einem Cross-over-Design für 14 Tage palatinale Schienen, auf deren Schmelz- plättchen achtmal täglich entweder eine 20-prozentige Zuckerlösung oder eines der probiotischen Milchprodukte appliziert wurde, wobei die Probanden die Schiene nach fünf Minuten Einwirkzeit wieder einsetzten. Im entsprechenden In-vivo-Experiment tranken die Probanden über 14 Tage einmal täglich 80 Gramm eines der Milchprodukte, wobei jeweils vor und nach der Einnahme Speichel- proben zur mikrobiologischen Analyse ge- nommen wurden. Es zeigte sich, dass die Gesamtbakterienzahl in den Biofilm-Proben nicht signifikant gegenüber der regelmäßigen Zuckerzufuhr reduziert war. Die beiden Milchprodukte zeigten keinerlei signifikante Wirkung auf die Anzahl von Gesamtstrepto- kokken, Mutans-Streptokokken sowie Lakto- bazillen und auch die EPS-Konzentration sowie die Menge an extrahierten Kohle- hydraten war in allen Gruppen gleich. Ledig- lich bei der Speichelanalyse ergab sich für das Produkt Batavito eine signifikante Reduktion der Bakterienzahlen gegenüber dem Start- wert, während Yakult die Speichelbakterien- zahlen nicht reduzieren konnte. Eine klinische Studie von Arweiler et al. untersuchte die Fähigkeit von probiotischen Bakterien, sich in orale Biofilme von Erwach- senen einzulagern sowie deren Einfluss auf die Zusammensetzung, die Dicke und die Vitalität des Biofilms [Arweiler et al., 2019]. Mittels eines etablierten Schienensystems wurden – zunächst ohne Zuführung probio- tischer Bakterienstämme – Informationen über die individuellen, unbeeinflussten Bio- filme der Probanden gesammelt. Anschließend nahmen die Probanden in drei parallelen Gruppen von je 13 Personen einen Monat lang täglich Actimel, Infectodiarrstop oder Symbioflor1 ein. Die Schienen wurden zu Beginn, nach 14 Tagen, nach der letzten Einnahme sowie 14 und 28 Tage nach der letzten Einnahme für 24 und 72 Stunden getragen. Primäres Prüfziel war die Detek- tion der jeweiligen probiotischen Bakterien (pB) und ihr prozentualer Anteil im Biofilm und im Speichel. Sowohl während als auch nach der Intervention konnten die pB nur in äußerst geringen Mengen im Biofilm und in leicht erhöhten Anteilen im Speichel detek- tiert werden, die sich aber nicht signifikant von der Normalflora unterschieden. Aller- dings war der Anteil von Streptokokken- Spezies während der Intervention und nach Zufuhr im Vergleich zur Baseline signifikant reduziert. Die Autoren schlussfolgerten, dass die zugeführten pB sich weder in den Biofilm noch in den Speichel integrieren oder persistieren konnten, aber die Integra- tion der Streptokokken-Spezies im Biofilm sowie deren Konzentration im Speichel reduzierten [Arweiler et al., 2019]. Bakteriozine der pB könnten eine Rolle für dieses „replacement” spielen. Arweiler et Abbildung 3: Karies durch zu viel probiotischen Joghurt? Das ist durchaus möglich – Probiotika der Lactobacillus-Spezies (Stäbchen-Bakterien) wirken kariogen, da die produzierte Milchsäure Zahnhartsubstanzen auflöst. Quelle: N. Arweiler, S. Nietzsche 40 Fortbildung Ernährung und Mundgesundheit
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