Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 109, Nr. 14, 16.7.2019, (1587) al. beobachteten keine Reduktion von Streptococcus mutans, sondern nur eine generelle Reduktion von Streptokokken- Spezies. Laleman et al. fanden in ihrer Meta- analyse eine signifikante Reduktion von Streptococcus-mutans-Zahlen (vor allem im Speichel) durch Probiotika, was aber auf- grund der Testmethoden – die Tests konnten nur Streptokokken-Spezies identifizieren – keinen Widerspruch zu Arweiler et al. dar- stellt [Laleman et al., 2014]. In einer klinischen Untersuchung an 45 Schwangeren zeigten Schlagenhauf et al., dass nach einer regelmäßigen Einnahme von Lactobacillus reuteri die Plaqueakkumulation und auftretende Entzündungszeichen redu- ziert werden konnten [Schlagenhauf et al., 2016]. Die Reduktion der Entzündungszeichen im Gingiva-Index war zwar in der Testgruppe signifikant gegenüber der Kontrollgruppe, allerdings mit einer so geringen Differenz (Probiotika-Gruppe: 1,0 auf 0,2, Kontroll- gruppe: 0,9 auf 0,7), dass man sich fragt, ob diese Reduktionen nicht auch mit Mund- hygieneinstruktionen und einer verbesser- ten täglichen Mundhygiene hätten erreicht werden können. Beide Gruppen erhielten im Rahmen der Studie keine Mundhygiene- instruktionen. Geisinger et al. zeigten in einer Studie mit 120 schwangeren Proban- dinnen im zweiten Trimenon, dass (nur) durch eine Intensivierung der Mundhygiene der Plaque-Index von 1,35 auf 0,61 und der Gingiva-Index von 1,45 auf 0,75 – also fast auf die Hälfte – reduziert werden konnte [Geisinger et al., 2014]. Die Studienergebnisse lassen die Schluss- folgerung zu, dass Probiotika sicherlich einen interessanten Ansatz darstellen, um eine aus dem Gleichgewicht geratene orale Mundflora zu normalisieren. Jedoch wider- sprechen verschiedene Anforderungen, die an Probiotika gestellt werden – zum Beispiel die dauerhafte Veränderung eines aus- geglichenen oralen Mikrobioms nach be- grenzter Bakterienzufuhr – jedem mikro- biologischen Grundverständnis. Um dies zu erreichen, müsste die Gesamtökologie der Mundhöhle, zum Beispiel durch regelmäßige mechanische Maßnahmen (Biofilmmanage- ment), verändert werden. Durch Probiotika erzeugte Effekte – insbesondere anti-ent- zündliche – könnten in der Mundhöhle auch über positive Wirkungen im Darm oder über das Immunsystem verursacht sein. Probiotika in der Parodontitis-Therapie Auch der klinische Effekt von Probiotika als Hilfsmittel bei der nicht-chirurgischen Paro- dontitistherapie war bereits Gegenstand von Übersichtsarbeiten [Gruner et al., 2016; Martin-Cabezas et al., 2016]. Gruner et al. fanden überwiegend Studien, die Lakto- bazillen und Bifidobakterien, seltener Strepto- kokken oder generell Bazillen als probiotische Keime untersuchten, wobei die Dosis der zugeführten Keime insgesamt stark variierte (von 10 7 bis 10 13 CFUs/ml). Typische Vehikel für die Keime waren Milch, Milchprodukte, (Lutsch-)Tabletten, Flüssigkeiten, Pulver, Trinkhalme oder Cerealien. Die Studien wur- den über Zeiträume von zwei Tagen bis zu 84 Wochen durchgeführt. Die Zielgrößen waren entweder Laktobazillen- oder Strepto- kokkus-mutans-Zahlen, parodontale Patho- gene, Mundhygiene- und Gingivitis-Indizes, Karies- und Parodontitisparameter sowie mögliche Nebenwirkungen. Bezüglich pa- rodontopathogenen Keimzahlen (A. actino- mycetemcomitans, P. gingivalis, P. inter- media) konnten die Laktobazillen zu keinem Unterschied der Keimzahlen gegenüber einer Kontroll-Therapie führen. Bezüglich der Mundhygieneparameter konnte ein sig- nifikanter Vorteil der probiotischen Therapie auf den BOP gezeigt werden, während für den Plaque-Index die Ergebnisse nicht signifikant waren. Auf die Sondierungstiefen konnte ein signifikanter Effekt der probio- tischen Therapie gezeigt werden, jedoch wurde auch hier eine hohe Heterogenität gesehen. Viele Studien untersuchten Nebenwirkungen – während schwere Nebenwirkungen nicht beobachtet werden konnten, berichtete eine Studie von milden gastrointestinalen Irritationen [Gruner et al., 2016]. Martin-Cabezas et al. untersuchten in ihrem Review ganz gezielt den Einfluss von Probio- tika als eine Begleittherapie zur subgingiva- len Reinigung (scaling and root planing, SRP) auf Sondierungstiefen-Reduktion und einen klinischen Attachment-Gewinn bei chronischen Parodontitis-Patienten [nach Armitage, 1999]. Letztendlich konnten für die Metaanalyse drei klinische Studien ein- geschlossen werden [Martin-Cabezas et al., 2016]. Danach wurde bei den Sondierungs- tiefen generell keine signifikante Reduktion gesehen, lediglich bei moderaten und tiefen Taschen zeigte sich eine Reduktion durch Probiotika. Auch bei der Betrachtung zweier Studien, deren Daten zur Schlussfolgerung einer sig- nifikanten Wirkung von Probiotika auf die Reduktion der Sondiertiefen (STs) geführt haben [Tekce et al., 2015; Ince et al., 2015], muss jedoch genauer hingeschaut werden. Beide Studien zeigten in ihren Testgruppen (Probiotika-Gabe) bei der Reevaluation eine Reduktion um 1,74 beziehungsweise 1,70 mm, während die Kontrollgruppe (Pla- cebo-Gruppe, die nur mechanisch mit SRP behandelt wurde) eine deutlich geringere Reduktion von nur 0,57 mm beziehungs- weise 0,55 mm erreichte. Wenn man aber berücksichtigt, dass ein gutes SRP eine Re- duktion der STs um 1 bis 2 mm erreichen kann [Hung & Douglass, 2002], dann relati- viert sich die Wirkung einer probiotischen Begleittherapie. Interessanterweise zeigen Laleman et al. in einer ähnlich aufgebauten Studie in ihrer reinen SRP-Gruppe (Placebo- Gruppe) eine Reduktion um 1,62 mm, während die Probiotika-Gruppe mit einer Reduktion um 1,52 mm keinen signifikanten Unterschied erreichen konnte [Laleman et al., 2017]. Probiotika könnten eine vielversprechende Alternative zu anderen Begleittherapien wie Antibiotika, photodynamischer oder Laser- Therapie darstellen. Bisher sind die Ergeb- nisse der Studien aber noch sehr heterogen, Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie 2 CME-Punkte der BZÄK/ DGZMK. Probiotika und Mundgesundheit CME AUF ZM - ONLINE 41
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