Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 109, Nr. 14, 16.7.2019, (1611) mit Makro- und Mikronährstoffen (Mangel- ernährung) deutlich an [Wojzischke et al., 2016]. Eine manifeste Mangelernährung wird immer dann diagnostiziert, wenn im Alter ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von mehr als 5 Prozent des Körpergewichts in drei Monaten auftritt [Volkert et al., 2013]. Insgesamt ist eine Mangelernährung im Alter keine Seltenheit. Die Prävalenz bei Senioren und betagten Personen liegt bei 4 bis 20 Prozent, wobei selbstständig lebende Personen am wenigsten und im Pflegeheim untergebrachte Personen am häufigsten betroffen sind. Auch wenn die absolute Zahl an Patienten mit Mangel- ernährung relativ klein erscheint, so zeigen 57 Prozent der Senioren in häuslicher Pflege und bis zu 71 Prozent der Senioren im Pflegeheim ein hohes Risiko dafür – mit einem direkten Zusammenhang zwischen dem Grad des Pflegebedarfs beziehungs- weise der Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und dem individuellen Risiko [Volkert, 2015]. Die Ursachen für eine Mangelernährung im Alter sind vielfältig [Perna et al., 2019]. Phy- siologisch sinkt das Hungergefühl aufgrund des Ansteigens von Sättigungssignalen (bei- spielsweise Cholecystokinin) und des Abfalls von Hungersignalen. Zudem setzt die Magendehnung später ein, was – gekoppelt mit einer veränderten Magenmotilität und einer verzögerten Magenentleerung – zu einem schnelleren Sättigungsgefühl führt [Britton und McLaughlin, 2013; Schiffman, 1993]. Zahlreiche weitere Faktoren begüns- tigen eine Reduktion der Nahrungsaufnahme (Tabelle 2, Abbildung 1) [Volkert, 2015]. Für den Zahnarzt sind vor allem jene Faktoren relevant, die im weiteren Sinne die Mund- höhle betreffen. Darunter fallen Schmerzen, ein reduzierter und schlecht versorgter Zahnbestand, Karies, parodontal vorge- schädigte Zähne, entzündliche Veränderun- gen und ein reduzierter Speichelfluss. Dieser kann ausgelöst werden durch verschiedene Medikamente (Psychopharmaka, bestimmte Anti-Hypertensiva, Anticholinergika und Anti- hypertensiva), Speicheldrüsenerkrankungen sowie Bestrahlungen im Kopf-Hals-Bereich. Manche Medikamente bewirken zudem eine Veränderung des Geschmacksempfindens, provozieren Übelkeit oder reduzieren den Appetit selbst [von Renteln-Kruse et al., 2014; Schiffman, 1993]. Ebenso führt eine altersbedingt veränderte Geschmackswahrnehmung zu einer anderen Nahrungsmittelwahl. Während ein Säugling rund 10.000 Geschmacksknospen hat, sind es bei einem Senior nur noch etwa 900. Dieser Verlust führt zu einem weniger aus- geprägten Geschmacksempfinden und durch die nicht gleichmäßige Abnahme aller Geschmacksrezeptoren meist zu einer Präferenz von süßen, zuckerhaltigen Speisen [Ogawa et al., 2017]. Gleichzeitig treten Än- derungen in der Quantität und Qualität des Speichels auf, wodurch, beispielsweise Abbildung 1: Faktoren, die zu einer Abwärtsspirale in die Gebrechlichkeit bei Mangelernährung führen können: Die im Zentrum stehenden Faktoren werden beeinflusst durch die im äußeren Bereich stehenden Probleme und Beeinträchtigungen. Quelle: Schlüter & Groß, [modifiziert nach Volkert, 2015] 65
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