Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 109, Nr. 14, 16.7.2019, (1615) Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie 2 CME-Punkte der BZÄK/ DGZMK. Besonderheiten der Ernährung im Alter CME AUF ZM - ONLINE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. In Bezug auf die Ernährung muss mit der Textur der Lebensmittel gearbeitet werden: Auf der einen Seite muss die Nahrung schluckfähig sein, auf der anderen Seite aber nicht zu flüssig, um Aspirationen zu vermeiden. Ist eine adäquate Einstellung der Textur nicht möglich und überwiegt die Gefahr der permanenten Aspiration, so muss eine Sondenernährung (nasal bei Kurzzeitversorgung, PEG bei dauerhafter Versorgung) in Erwägung gezogen werden [Nawaz und Tulunay-Ugur, 2018; Ortega et al., 2017]. Interaktionen zwischen Alter, Ernährung und Mundgesundheit Veränderungen in der Nahrungsaufnahme sowohl im Bereich der Makro- als auch im Bereich der Mikronährstoffe sowie in der Flüssigkeitsaufnahme können einen direk- ten und einen indirekten Einfluss auf die Mundgesundheit haben. Die wichtigsten werden durch die Reduktion der intraoralen Speichelmenge, eine Veränderung der Abwehrlage sowie durch einen erhöhten Zuckerkonsum bewirkt. Eine deutliche Reduktion der Flüssigkeits- aufnahme geht im Regelfall mit einer Reduktion der Speichelproduktion einher. Dadurch werden in der Mundhöhle die Schleimhäute weniger mit Speichel benetzt, sodass diese für Infektionen anfälliger wer- den. Dazu zählen vor allem Pilzinfektionen mit Candidaspezies [Mese und Matsuo, 2007], aber auch Infektionen mit bestimm- ten Viren und Bakterien. Das kann zu einem Wundheitsgefühl auf der Schleimhaut füh- ren, was erneut die Aufnahme von Flüssig- keiten und Nahrung erschweren kann. Zu- dem kann dadurch die Geschmackswahr- nehmung verändert werden, was wiederum zu Veränderungen in der Wahl der Speisen führt. Bei Candidabesiedelungen besteht zusätzlich die Gefahr, dass sich der Befall in den Rachenraum, die Atemwege und den Verdauungstrakt ausbreitet, sodass früh- zeitig mit Antimykotika, gegebenenfalls entsprechend Abstrichanalyse, behandelt werden sollte. Eine Candidabesiedelung geht zudem mit einem grundsätzlich erhöhten Kariesrisiko einher [Pereira et al., 2018]. Dieses ist bei einer Xerostomie, die nicht nur durch Exsik- kose, sondern auch durch Medikamente oder Bestrahlungen im Kopf-Hals-Bereich entstehen kann, ohnehin deutlich erhöht, da die protektiven und remineralisierenden Eigenschaften des Speichels fehlen [Barbe, 2018] und herkömmliche Therapeutika zu- dem mitunter weniger Effekte erzielen [Pini et al., 2018]. Die genannte Veränderung im Geschmacks- empfinden, ein Nachlassen der Kaukraft und auch die häufig bei einem reduzierten Speichelfluss auftretenden Schluckschwie- rigkeiten bewirken, dass von Betroffenen zumeist weiche und kohlenhydratreiche Kost bevorzugt wird – mit der Konsequenz, dass das Kariesrisiko steigt [Tonetti et al., 2017]. Dem erhöhten Kariesrisiko sollte in diesen Fällen mit verstärkten Präventions- bemühungen begegnet werden. Diese um- fassen unter anderem die Anwendung hochdosierter Fluoride und verkürzte Prophylaxeintervalle sowie eine Ernäh- rungsberatung, eine erhöhte Flüssigkeits- zufuhr und die Intensivierung der Mund- hygienemaßnahmen. Eine Reduktion der Zufuhr an Mikronähr- stoffen, vor allem von Vitaminen, bewirkt eine Veränderung der Abwehrlage, die zu einer erhöhten Anfälligkeit für (parodontale) Entzündungen führen kann [Dommisch et al., 2018; Chapple et al., 2017]. Zudem können sich bei ausgeprägtem Mangel Wundheilungsstörungen einstellen, was auch bei Extraktionen ein zusätzliches Risiko darstellen kann. Zusammenfassung Die Ernährung von gesunden und mobilen Senioren unterscheidet sich von der gesunder Erwachsener nur geringfügig. Der Energie- bedarf sinkt aufgrund der veränderten Ver- teilung der Körpermassen etwas ab, gleich- zeitig steigt der Bedarf an Proteinen. Um einen verstärkten Abbau von Muskelmasse zu vermeiden, sollte in der täglichen Ernäh- rung der Proteinanteil zulasten des Fett- und Kohlenhydratanteils erhöht werden. Das kann suffizient durch Milchprodukte, Fleisch oder andere Proteinlieferanten wie Hülsenfrüchte erfolgen. Ebenfalls sollte auf eine ausreichende Versorgung mit Vita- minen geachtet werden. Vor allem die Vita- mine B 12 und D sowie Folsäure werden durch die Nahrung zumeist nicht aus- reichend aufgenommen und sollten bei Bedarf und regelmäßiger Kontrolle der Blut- werte supplementiert werden. Liegen Grunderkrankungen vor, so muss deutlich stärker auf eine gute Ernährung geachtet werden, da Gewichtsverluste sehr schnell auftreten können und eine Mangelernäh- rung den Gesamtzustand von älteren und alten Menschen schnell verschlechtern kann. In diesen Fällen kann eine Abwärts- spirale eröffnet werden, in der Mobilitäts- verlust, erhöhte Vulnerabilität und Pflege- bedürftigkeit drohen. Prof. Dr. Nadine Schlüter Stiftungsprofessur für Kariesforschung Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55 79106 Freiburg i. Br. nadine.schlueter@uniklinik-freiburg.de Dr. med. Patricia Groß Fachärztin für Innere Medizin Lortzingstr. 18 64291 Darmstadt 69
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