Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14

zm 109, Nr. 14, 16.7.2019, (1554) TI – Staatlich gefördertes Paradies für Hacker \ „Offener Brief an den Herrn Gesundheitsminister von nebenan zum Thema TI“ Sehr geehrter Herr Spahn! Zum wiederholten Mal und von allen Seiten sind Ihnen sicherlich schon sämtliche Informationen, die gegen eine Anbindung unse- rer Praxis-PC-Patienten-Daten- verarbeitungssoftware sprechen, zugetragen worden. Selbst die großen Player auf dem Internet- Markt ziehen inzwischen schon Konsequenzen und verabschie- den sich von der elektronischen Patientenakte, die alle Daten im Netz speichern soll. Zum Beispiel Apple warnt davor und hält es sogar für eine Bedrohung 1) oder auch Microsoft stampft seine „HealthVault“-Patientenakte ein 2) oder der bis zum 20. März angehaltene Hackerangriff auf den amerikanischen Inkasso- Konzern AMCA hat mehr als 20 Millionen Patientenakten zu Blut- untersuchungen verschwinden lassen. Über AMCA rechnen US- Krankenhäuser und Ärzte ihre Blutuntersuchungen ab, natür- lich inklusive der Ergebnisse. Der Chaos Computer Club Hamburg 3) hat auf seiner Jahrestagung in Leipzig am 28.12.2018 mal eben so innerhalb von fünf Minuten mit einem einfachen Notebook einige elektronische Patienten- akten gehackt, völlig ohne Mühe und ohne besondere Software. Die Liste kann inzwischen unend- lich verlängert und mit ebenso vielen Leserbriefen untermauert werden. Fazit: Die TI Infrastruktur ist keineswegs sicher. Um nicht zu sagen: Die TI ist überhaupt nicht sicher! Aber Sie, Herr Gesundheits- minister Spahn, erhöhen den Druck durch Verschärfung der Sanktionen für TI-Verweigerer. Auf Hacker-Angriffe angesprochen sollen Sie allerdings nur geant- wortet haben: Hacker hin Hacker her, wir machen es trotzdem! 4) Sind Sie nicht durch Ihren eigenen Hacker-Angriff eines Besseren belehrt worden? 5) Was glauben Sie – wie schnell können erst hoch professionelle oder selbst auch minderbegabtere Hacker an die Patientendaten gelangen? Kurze, unvollständige Aufzählung: - NSA ist gehackt worden (Ne, och, doch!) - Merkels Handy ist gehackt worden - Krankenhäuser sind gehackt worden mit lebensbedrohlicher Konsequenz - Stadtwerke Essen sind gehackt worden, kurz vor der Katastrophe abgebogen - Israelische Forscher haben eine Malware entwickelt, die KREBS in CT-Scans von Patienten ent- weder löschen oder ergänzen kann 6) Mein kleiner Rechner stünde 7 Tage die Woche 24 Stunden am Tag imNetz und sämtliche Daten und Programme und Statistiken, auch aller privatversicherten Patienten (sic!), wären abgreif- bar. Übrigens läuft auch das Ab- rechnungsprogramm für meine zweite Praxis neben Ihrem Heimatort direkt über meinen kleinen gleichen Rechner in der Kassen-Sitz-Praxis, an den der Konnektor, also die TI-Infrastruk- tur, angeschlossen werden soll. Die Praxis ist von allerfeinster privater Natur mit einem großen Schild vorne direkt an der ersten Eingangstür: PRIVAT-PRAXIS. Diese Daten gehören nicht, genauso wenig wie Daten von GKV-Versicherten, im Netz zen- tral gespeichert, da diese so abgreifbar bzw. ausspähbar werden. Also ich verweigere mich durch einfach mal nix tun. Schon habe ich zumindest auch die Neu- beschaffung des Konnektors in ca. 3 bis 4 Jahren und dann wahrscheinlich immer wieder im 5-Jahres-Rhythmus wegen ver- alteter Hardware (das ist heute schon veralteter Hardware-Schrott) mit neuem Arztausweis (?) und die Wartungskosten gespart. Und erst die Steuerersparnis! Darüber hinaus verweigern in meinen Praxen (zu fast 100 %) sämtliche Patienten nach Aufklärung schriftlich ihre Zustimmung zur Datenspeicherung oder Daten- übermittlung außerhalb meiner Praxisräume. Werden nun alle diese GKV- Versicherten auch mit einem 1- bis 2,5-%igem Aufschlag zu ihren Kassenbeiträgen bestraft oder gar von der Kasse des Feldes verwiesen und ohne Versiche- rungsschutz gelassen? Ist doch gesetzlich gar nicht möglich – es sei denn, die Herren Politiker ändern wieder bestehende Ge- setze nach Gutdünken. Vielleicht den Arbeitgeberanteil auch noch zusätzlich belasten? Was für ein Fest für die Krankenkasse. Die kämen aus dem Lachen gar nicht mehr raus. Sie können gerne bei Ihrem nächsten Besuch in Ahaus mal bei mir in Wessum reinschauen, und ich organisiere einen Termin mit einem gleichgesinnten, be- nachbarten Kollegen zum Ge- spräch. Allein Ihr Schlusswort bei der Diskussion mit den Ärzten strotzt vor Ironie. ZITAT: „Nach 90 Minuten reger Diskussion konnte sich Spahn schließlich zu folgendem Schlusswort hinreißen lassen: ‚Wenn Sie den Eindruck gewonnen haben, der Gesund- heitsminister wird nicht morgens wach, um Sie zu ärgern, sondern um mit Ihnen zu gestalten, dann haben wir heute schon viel gewonnen.‘“ Aber genau das glauben in- zwischen sehr viele Ärzte in Deutschland. Mit-gestalten las- sen auf Augenhöhe sieht anders aus. Vielmehr wurde bisher per Gesetz festgelegt und absolut beratungsresistent und ohne Mitwirken und Wissen von ärz- lichen Fachleuten uns Ärzten ein Korsett übergestülpt, das uns einfach passen sollen muss. Und was nicht passt, wird passend gemacht: Siehe Verschärfung der Strafabzüge. Die Digitalisierung in den Praxen läuft schon seit Jahrzehnten am Gesundheitsministerium vorbei, hat in den Praxen überall statt- gefunden und hat auch nur in den Praxen etwas zu suchen, nicht aber außerhalb zur Über- wachung von Patienten und Pra- xen. Auch nur zur Erleichterung der überbordenden Bürokratie, eine Verminderung seit Jahren angemahnt von uns und von den Politikern immer wieder ver- sprochen, und nicht zur weiteren Belastung. Aber in dieser Hinsicht fährt uns auch die TI-Anbindung voll vor die Wand. Erkundigen Sie sich doch in sämtlichen schon angeschlossenen Praxen nach dem größten Hemmschuh der täglichen Arbeit! Zusätzlich wird den Praxen auch noch das finanzielle Risiko aufge- bürdet, sämtliche Hardware alle Jahre wieder auf eigene Kosten 8 Leserforum

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