Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16
zm 109, Nr. 15, 16.8.2019, (1680) - , 16.8.2019, (1680) Viele ältere Patienten sind nicht nur multi- morbide, sondern nehmen auch eine un- übersichtliche Menge an Medikamenten ein, worunter sich sehr häufig mindestens ein oder sogar mehrere Antikoagulantien befinden. Die Vitamin-K-Antagonisten gibt es seit rund 70 Jahren auf dem Markt, wo- hingegen die neueren, direkten Antikoagu- lantien erst seit einigen Jahren zur Anwen- dung kommen. Der Wirkmechanismus funktioniert über eine direkte Faktor Xa- oder Thrombin-Inhibition. Material und Methode Eingeschlossen in die Studie wurden insge- samt 130 Patienten. Davon erhielt die eine Hälfte eine Antikoagulation mittels Vitamin- K-Antagonisten und die Andere mit direkten oralen Antikoagulantien. Es wurde im Rah- men der Studie bei jedem Patienten nur ein einzelner, nicht erhaltungswürdiger Zahn extrahiert. Die Extraktion erfolgte mit einer Zange und / oder einem Elevatorium mit ei- ner maximalen Operationsdauer von 15 Mi- nuten. Der Wundbereich wurde lediglich mit einer Situationsnaht versorgt und da- nach mit einem Aufbisstupfer komprimiert. Bei ausbleibender Hämostase wurde nach 30 Minuten entweder ein Tranexamsäure getränkter Tupfer aufgelegt oder ein resor- bierbarer Zelluloseschwamm (Gelita) in die Alveole eingelegt. Ergebnisse Blutungsereignisse wurden anhand der Klassifikation von Iwabuchi et al. [2014] be- wertet. Dabei galt Score 2 (häufiger als ein- mal pro Woche auftretende Blutung, die mittels Kompression gestillt werden kann) oder höher als Blutungsereignis. Nicht in- nerhalb der ersten 30 Minuten nach Extrak- tion sistierende Blutungen traten in der Gruppe der direkten Antikoagulantien bei insgesamt elf Patienten auf, in der Vita- min-K-Antagonisten-Gruppe bei 15. Innerhalb der ersten Woche post-OP konn- ten keine signifikanten Unterschiede bezüg- lich der Blutungsereignisse in beiden Grup- pen festgestellt werden. In der Gruppe der direkten oralen Antikoagulantien gab es bei sieben Patienten ein einziges Blutungsereig- nis, bei vier Patienten zwei oder mehr Blu- tungsereignisse, die durch Kompression ge- stillt werden konnten. Nur bei einem Patien- ten musste zusätzlich ein tranexamsäurege- tränkter Tupfer verwendet werden. In der Vitamin-K-Antagonisten-Gruppe gab es insgesamt zwölf einmalige Blutungser- eignisse, bei sechs Patienten traten mehr- fach Blutungen auf, die durch Kompression sistierten. Nur ein Patient benötigte einen Tranexamsäure-Tupfer und ein Patient eine Revision und endgültigen Hämostase. Häu- figste Indikation für die Gabe von Antiko- agulantien war eine Vorhofflimmern. Diskussion Bei direkten oralen Antikoagulantien be- steht bekanntermaßen nicht die Möglich- keit, die Potenz des Präparats anhand eines Parameters (wie dem INR bei Vitamin-K-An- tagonisten) zu messen. Die Ergebnisse im Rahmen dieser Studie zei- gen, dass keine signifikanten Unterschiede im Auftreten von Blutungsereignissen bei der ununterbrochenen peri-operativen Ga- be von direkten oralen Antikoagulantien und Vitamin-K abhängigen Antikoagulan- tien vorlagen. Dabei wurden weder die Do- sierung, noch der Einnahmezeitpunkt der Medikamente prä- und perioperativ verän- dert. Um vergleichbare Bedingungen zu schaffen, wurden lediglich einfache Extrak- tionen ohne Osteotomien mit einer Dauer von maximal 15 Minuten in die Studie ein- bezogen. Ein temporäres Absetzen ist laut der Autoren bei oralen Antikoagulantien aufgrund der kurzen Halbwertszeiten von fünf bis 18 Stunden durchaus praktikabel. Sie sehen dabei aber ein potenzielles Risiko für Thromboembolien, das bereits mehr- fach in der Literatur beschrieben wurde, ob- gleich dies bei einem kurzen Unterbre- chungszeitraum von zwölf bis 24 Stunden als durchaus gering einzustufen sei. Dennoch empfehlen Berton et al. [2019] ein Unterbrechen der Einnahme nicht bei un- komplizierten Zahnentfernungen, da das Auftreten von Blutungsereignissen auf Grundlage dieser Studie als sehr gering ein- gestuft werden kann. Die Autoren folgern, dass die Blutungsgefahr nach kleinen oral- chirurgischen Eingriffen bei direkten oralen Antikoagulantien ebenso einzustufen ist wie bei Patienten mit Vitamin-K-Antagonisten und einem INR von 2,0 –3,0. nl Berton F, Costantinides F, Rizzo R, Franco A, Contarin J, Stacchi C, Maglio- neM, Visintini E, Di Lenarda A, Di Lenar- da R (2018). Should we fear direct oral anticoagulants more than vitamin K an- tagonists in simple single tooth extracti- on? A prospective comparative study. Clinical oral investigations, 1–10. Quelle I NFO xxx 22 Zahnmedizin Aus der Wissenschaft Nicht mehr Blutungsereignisse bei direkten oralen Antikoagulantien Eine italienische Forschergruppe hat die Blutungsereignisse bei Patienten mit Vitamin-K-Antagonisten und direkten Antikoagulantien miteinander verglichen: Bei einfachen Extraktionen bestehen keine Unterschiede in der Häufigkeit des Auftretens von Blutungen – die Behandlungen sind somit vergleichbar.
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