Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm 109, Nr. 15, 16.8.2019, (1698) - , 16.8.2019, (1698) des Unterkiefers ohne Zahnkontakt. Bei ansonsten gesunden Individuen handelt es sich dabei nicht um eine Bewegungs- störung. Die Studien zur Prävalenz sind hinsichtlich einer Geschlechterdominanz inkonsistent. Die Prävalenz schwankt in Abhängigkeit vom diagnostischen Verfahren. Bei Kindern werden Prävalenzzahlen für Schlafbruxis- mus von bis zu 56 Prozent angegeben [Manfredini et al., 2013], bei Erwachsenen ist der Wachbruxismus häufiger mit bis zu 31 Prozent, der Schlafbruxismus seltener mit bis zu 16 Prozent [Manfredini et al., 2013]. Bruxismus tritt in der gesamten Lebensspanne ab dem Durchtritt der Zähne bis ins hohe Alter auf [Castrillon et al., 2016]. Die Prävalenz ist im zweiten und im dritten Lebensjahrzehnt am höchsten, um dann zum Alter hin abzunehmen [Shetty et al., 2010]. Ätiologie Bruxismus gilt als multifaktoriell bedingt [Murali et al., 2015; Manfredini et al., 2009; Manfredini et al., 2011]. Schlafbruxismus wird eher zentralnervösen Ursachen zuge- schrieben, Wachbruxismus eher emotiona- lem Stress [Castrillon et al., 2016; Alfano et al., 2018; Guo et al., 2018; Manfredini et al., 2016; Manfredini et al., 2016; Carlsson et al., 2003; Lobbezoo et al., 2001]. Weitere ätiologische Faktoren sind Angststörungen, Schlafstörungen (zum Beispiel Insomnie, Schlafapnoe), physiologische/biologische/ genetische Faktoren, neurochemische Transmitter, Reflux oder exogene Faktoren wie Nikotin-, Alkohol- oder Drogenkonsum [Manfredini et al., 2009; Alfano et al., 2018; Manfredini et al., 2016; Manfredini et al., 2016; Manfredini et al., 2011; Lobbezoo et al., 2012; Lavigne et al., 1997; Feu et al., 2013; Bertazzo-Silveira et al., 2016; Castroflorio et al., 2015; Ella et al., 2016; Garrett et al., 2018; Melo et al., 2018; Mengatto et al., 2013; Kuhn et al., 2018; Peskersoy et al., 2016]. Auch die Einnahme bestimmter Medikamente kann Bruxismus auslösen. Dazu gehören dopaminhaltige Medikamente [Falisi et al., 2014], Anti- depressiva in Form von trizyklischen Anti- depressiva oder Serotonin-Wiederaufnahme- Hemmer (SSRI) [Garrett et al., 2018; Gerber et al., 1998; Lobbezoo et al., 2001; Uca et al., 2015], Medikamente zur Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizit-Syndroms (ADHS) [Malki et al., 2004], Narkotika [Winocur et al., 2001] und Antihistaminika [Falisi et al., 2014]. Diagnostik Anhand diagnostischer Grundlagen werden die in Tabelle 1 genannten Einstufungen unterschieden. Die Anamnese allein sollte nicht zur Dia- gnostik von Schlaf- oder Wachbruxismus ge- nutzt werden [Casett et al., 2017; Palinkas et al., 2015; Raphael et al., 2015]. Die Leit- linie empfiehlt, die Kriterien der American Association for Sleep Medicine (AASM) für Schlafbruxismus zu nutzen [Palinkas et al., 2015; Raphael et al., 2015]. Diese Kriterien helfen, neben der Anamnese auch klinische Anzeichen zu beurteilen, wie einen abnor- men, nicht kariösen Zahnhartsubstanzverlust und/oder den Verlust von Restaurations- materialien, Missempfindungen, Müdigkeit oder Schmerz in der Kaumuskulatur und Kieferöffnungsbehinderungen beim Auf- wachen sowie die Hypertrophie des M. masseter bei willkürlichem, kräftigem Kieferpressen. Die Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie stellt ein entsprechendes Bruxismus-Screening online zur Verfügung (Abbildung 1, www. dgfdt.de). Eingefärbte Schienen können zur Darstel- lung nächtlicher Bruxismusaktivitäten in Form von Abriebmustern genutzt werden [Ommerborn et al., 2015]. Die Leitlinie weist aber darauf hin, dass damit Schlaf- bruxismus in Form von Pressen unerkannt bleibt und für Mehrschichtschienen keine ausreichende Evidenz zur Diagnostik von Schlafbruxismus besteht. Zur instrumentellen Diagnostik des defi- nitiven Schlafbruxismus und/oder Wach- bruxismus stellen aufzeichnende tragbare EMG-Geräte eine Alternative zur Poly- somnografie dar [Casett et al., 2017; Inano et al., 2013; Manfredini et al., 2014; Miettinen et al., 2018; Stuginski-Barbosa et al., 2016] (Abbildung 2). Die Empfehlung der Leitlinie ist somit offen, da ausreichende Evidenz zur Empfehlung dieser Geräte noch fehlt. Die Polysomnografie (PSG) gilt als Re- ferenz zur Diagnose des definitiven Schlaf- bruxismus. Da die PSG jedoch einen hohen technischen, finanziellen und zeitlichen Auf- wand erfordert, sollte sie Studien und der Diagnostik von Schlafstörungen wie zum Beispiel schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS) vorbehalten bleiben [Rompré et al., 2007; Lavigne et al., 1996]. Wachbruxismus lässt sich auch durch Selbstbeobachtung, gegebenenfalls unterstützt durch moderne, elektronische Technologien [Watanabe et al., 2011], diagnostizieren. Bruxismus und CMD Ob Bruxismus als prädisponierender, aus- lösender und/oder unterhaltender Faktor einer CMD gilt, wird nach wie vor kontro- vers diskutiert [Jimenéz-Silva et al., 2016; Manfredini et al., 2010]. Die uneinheitliche Studienlage ist bedingt durch die uneinheit- Einstufung Möglicher Bruxismus Wahrscheinlicher Bruxismus Definitiver Bruxismus Tabelle 1: Bildquelle: Peroz und Lange nach [Lobbezoo et al., 2018] Diagnostische Verfahren Anhand anamnestischer Angaben des Patienten, Schlafpartners oder Eltern Anhand klinischer Anzeichen mit oder ohne anamnestische Angaben Anhand instrumenteller Untersuchung mit oder ohne klinischer Anzeichen und/oder anamnestische Angaben. Quelle: Peroz und Lange [nach Lobbezoo et al., 2018] 40 Zahnmedizin

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=