Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 109, Nr. 17, 1.9.2019, (1906) Es sind oftmals unterschiedliche Glaubens- sätze, Paradigmen, Werte oder Gewohnhei- ten, die aufeinandertreffen. Die Generation 50plus lebt nach dem Glaubenssatz: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Junge Menschen sehen Arbeitszeit als Lebenszeit und wollen nicht erst nach der Arbeit mit dem schönen Teil des Lebens beginnen. Das kann zu Konfliktpotenzial führen. Ein starrer, eindimensional top-down gesteuer- ter Führungsstil einer älteren Führungskraft kann bei jüngeren Kollegen zu Ablehnung führen. Man spricht bei uns, den zwischen 1980 und 1995 Geborenen, nicht umsonst auch von der Generation Y – also der Gene- ration „Why?“, weil wir es gewohnt sind, viel zu hinterfragen: die alten Erfahrungen, den Status quo. Wie kann die Zusammenarbeit denn gut funktionieren? Wichtig ist ein respektvoller Austausch auf Augenhöhe. Respekt kann keine Einbahn- straße sein. Alt kann von Jung lernen und Jung von Alt. Sobald wir mit so einer Hal- tung aufeinander zugehen, ist das Konflikt- potenzial schon viel kleiner. Im Zentrum steht immer die Frage: Wie gehen wir mit- einander um? Wie gehen wir aufeinander zu? Gegenseitiger Respekt bedeutet aber auch, dass wir als Nachwuchsgeneration nicht einfach in die Praxis kommen und alles auf den Kopf stellen. Es ist wichtig, auch die Tradition einer Organisation zu kennen, um angemessen Ideen einzubringen und Veränderungen voranzutreiben. Das wird in der jungen Generation manchmal ver- gessen. Aber es ist genauso die Aufgabe der Älteren, die Jüngeren auch auf Augenhöhe zu sehen und offen für die Impulse zu sein, die aus der jüngeren Generation kommen: Dinge mehr zu hinterfragen und auch Neues auszuprobieren. Als Beispiel: Google, Tesla oder Facebook wurden auch nicht aus dem Modus der Erfahrung gegründet, oder? Erfahrung ist in der heutigen Zeit überbewertet. Die Mil- lennials sind die einflussreichsten Alters- kohorten im digitalen Zeitalter. Ihre Mind- und Skillsets werden die Wirtschaft nach- haltig verändern. ? Wie klappt der Übergang bei einer Praxisübergabe am besten? Häufig findet der Abgeber einen jungen Nachfolger, aber das Team bleibt in der Praxis. Wichtig ist, sich viel Zeit für die Kommunika- tion zu nehmen, mit jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin ins Gespräch zu gehen und deren Standpunkt und Persönlichkeit verstehen zu lernen. Oftmals ist es auch die Unsicherheit „Neuer junger Chef, was passiert jetzt?“, die im ersten Moment zu Skepsis oder Ablehnung führt. Diese emo- tional verursachte Spannung lässt sich nur auflösen, wenn Mitarbeiter in dieser Ver- änderung gut geführt werden. Gute Führung setzt voraus, dass wir Ma- nagement, Leadership und Fachexpertise differenziert(er) betrachten. Jemand, der seinen Job am besten managt oder der beste Zahnarzt ist, ist noch lange keine gute Führungskraft. Die Annahme, dass ein guter Zahnarzt auch Menschen gut führen kann, ist häufig ein Trugschluss! Das betrifft nicht nur die Zahnmedizin, sondern alle Branchen. Ein Zahnarzt, der nur daran interessiert ist, noch bessere Zahlen zu schreiben, läuft Gefahr, junge Mitarbeiter zu verlieren. Denn die suchen nach Chefs, die auch Lust darauf haben, ihre Mitarbeiter gut zu führen, sie zu entwickeln, zu coachen und aus Einzel- playern ein gutes Team zu machen. Und als Tipp für eine ältere Belegschaft mit einem neuen jungen Chef: Die Wissenschaft zeigt eindeutig, dass Führungsqualität nicht an das Senioritätsprinzip gebunden ist. Was heißt, dass junge Chefs durchaus besser für die Führung eines Teams geeignet sein können als ältere Chefs. Gibt es Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Millennials? Das kann man nicht so pauschal beurteilen. Wir haben es aber mit einer Generation jun- ger Frauen zu tun, die in der Schule im Durchschnitt bessere Noten als die Jungs bekommen hat, schneller studiert hat und neben kognitiver Intelligenz auch ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz und Empathie in Job und Familie mitbringt. Durch unsere Sensibilität für die emotionale Sichtweise ? ? auf Business und Privatleben sind wir nicht nur als erste zur Stelle, wenn das Kind krank wird, sondern wir suchen im Job eher nach Win-win-Lösungen und guten Formen der Zusammenarbeit. Neben klassischen Ma- nagement-Kompetenzen und Fachexpertise bringen wir genau die emotionale Intelligenz in der Führungsetage ein, die bislang häufig fehlt. Wobei ich anmerken möchte, dass es durchaus auch Männer gibt, die auch über ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz verfügen – sie sind unter ihren männlichen Kollegen auf Führungsetagen aber eher in der Minderheit. Ein großer Unterschied, den ich selbst auch permanent beobachte, ist, dass sich Frauen viel stärker selbst hinter- fragen als Männer und dass sie oft viel selbstkritischer sind. Wie geht man mit diesen Selbstzweifeln am besten um? Aus meiner persönlichen Erfahrung: Am wichtigsten ist, zu verstehen, wie man mit sich selber umgeht. Also, welche inneren Gespräche führt man, wie selbstkritisch ist man, und wie mutig ist man? Mir hat es be- sonders geholfen, mir ein Netzwerk an Menschen, Mentoren und Supportern auf- zubauen, die mich ermutigen und mich aktiv dabei unterstützen, meine Ziele und meine Vision zu erreichen. Dieses Netzwerk kann man innerhalb einer Organisation, innerhalb einer Branche oder darüber hinaus aufbauen. Bei der Frage nach den Eigenheiten der Millennials warnen Sie häufig vor pauschalen Urteilen. Warum? Wir leben in einer Zeit, in der Individualisie- rung ein Megatrend ist – deshalb beispiels- weise auch der Trend der Zickzack-Lebens- läufe. Und das bedeutet natürlich auch, dass wir es mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun haben – auch innerhalb einer Gene- ration. Für Führungskräfte heißt das, sich individuell auf die Mitarbeiter einzustellen, statt einen Führungsstil auf alle anzuwenden. Das setzt voraus, dass sich eine Führungs- kraft mehr Zeit nimmt für Gespräche und die Führung von Mitarbeitern. Die Fragen stellte Stefanie Hanke. ? ? 120 zm–starter

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