Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 109, Nr. 17, 1.9.2019, (1810) ? Herr Dr. Engel, was sind die größten Herausforderungen für den zahnärztlichen Berufsstand – heute und künftig? Dr. Peter Engel: Wir leben in einer Gesell- schaft, in der das soziale Gefüge auseinander- zubrechen droht und Missgunst und Neid sich ausbreiten. Die Freien Berufe und der Mittelstand werden zunehmend bedrängt. Gleichzeitig erleben wir in unserer Profession erhebliche Strukturveränderungen bei Praxis- formen und Berufsausübung. Der Gesund- heitsmarkt wird zunehmend von Fremd- investoren erobert. Es drohen Vergewerb- lichung und eine Discountmedizin mit der Kommerzialisierung zahnärztlicher Leistun- gen. Der Patient wird zur Randerscheinung, der (Zahn)Arzt zur Marionette. Die Gefahr, dass das Geld und nicht der Patient im Vor- dergrund steht, wächst. Zunehmend. Die Werte und Grundsätze, mit denen wir aufgewachsen sind – Selbstverpflichtung, Freiberuflichkeit, ein vertrauensvolles Arzt- Patienten-Verhältnis, eine starke Selbstver- waltung – werden mehr und mehr Markt- strukturen geopfert. Aber ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt und Patient hat nichts mit Markt zu tun. Wenn wir unsere Grundwerte aufrechterhalten wollen, stehen gewaltige Aufgaben vor uns, die wir nur bewältigen werden, wenn wir die Belange der nachfolgenden Generation wesentlich stärker berücksichtigen. Das bedeutet auch, verkrustete Strukturen aufzubrechen. ? Was ist die bisherige Bilanz Ihrer standespolitischen Arbeit – was schätzen Sie als besonders positiv ein? Das sind eher die Erfolge der Profession ins- gesamt: Dazu zähle ich vor allem die Prä- ventionserfolge der Zahnärzteschaft, wie sie in der DMS-V-Studie zur Mundgesundheit zum Ausdruck kommen. Dazu gehört auch der Einsatz für Risikogruppen – Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung, die Vermeidungsstrategien gegen frühkindliche Karies oder Menschen aus sozial schwierigen Verhältnissen. Für ganz wichtig halte ich den ehrenamtlichen Einsatz – zum Beispiel bei großen Katastrophen, in der Flüchtlings- problematik, beim Einsatz für Obdachlose. Das hilft uns, gesellschaftliche Akzeptanz für den Berufsstand zu schaffen – indem man Vertrauen bildet. Auch die Positionierung der BZÄK im natio- nalen und im internationalen Bereich ist erheblich vorangekommen. Wir haben ein gutes Standing bei europäischen und inter- nationalen Institutionen erlangt. Insbeson- dere auf europäischer Ebene – mit Blick auf die Themen, die von der EU auf den Weg gebracht werden und die in den Praxen ihren Niederschlag finden – sind wir gut und vertrauensvoll vernetzt. ? Wenn Sie zurückblicken: Würden Sie etwas ändern wollen? Ich würde nichts anders machen. Nur viel- leicht – aus der mittlerweile erlangten Erfahrung heraus – hin und wieder etwas rigoroser agieren. ? Was bedeutet es für Sie, Standespolitiker zu sein? Das bedeutet für mich, die Interessen aller Kolleginnen und Kollegen zu vertreten, von denen wir gewählt worden sind und für die wir eine bestimmte Verantwortung über- nommen haben. Doch oft haben wir es schwerer mit uns selbst als mit unseren gesundheitspolitischen Antagonisten. Das ist eine Sache, die ich oft bedauere. ? Wenn das so ist – was bringen Ihnen denn all diese Aufgaben ganz persönlich? Interview mit BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel anlässlich seines 70. Geburtstags „Für eine prosperierende Zukunft der Profession müssen wir kämpfen“ Der zahnärztliche Bereich steht vor massiven Umwälzungen: Die veränderten Ansprüche der jungen Generation haben Einfluss auf die Berufsausübung, die Digitalisierung prägt die Behandlung wie die Patientenbeziehung, fachfremde Investoren ändern die Versorgungslandschaft und die Politik greift in die freibe- rufliche Selbstbestimmung ein. In dieser Phase des Umbruchs hilft eine Standes- politik des Weitblicks, des aktiven und reflektierten Handelns und der Vertrauens- bildung. Ein Gespräch mit BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel. BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel: „Man sollte so viel Erfahrung sammeln, wie möglich: Das weitet den Horizont und verändert den Blickwinkel.“ Foto: Lopata 24 Politik

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