Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 109, Nr. 17, 1.9.2019, (1818) hocheffektiv sein, wie eine Studie aus Ghana zeigt [Jordan et al., 2018]. Daher wird die Salzfluoridierung von der WHO empfohlen und in über 30 Ländern angewendet [Marthaler und Petersen, 2005]. Allerdings nehmen kleine Kinder nur geringe Mengen Salz auf, so dass – da die industrielle Nahrungsherstellung kein fluoridiertes Salz verwendet – die Fluorid- aufnahme über Salz minimal und kariesprä- ventiv in der Regel nicht bedeutsam ist. Fluoridtabletten wirken unbestritten bei regelmäßiger Anwendung, auch wenn dies in prospektiven, kontrollierten Studien kaum evident belegt ist und gerade in Risikogruppen die Einnahme nicht sichergestellt ist [EAPD, 2019]. Wahrscheinlich wäre nur eine eltern- unabhängige Gabe, zum Beispiel über eine Betreuungseinrichtung wie in der früheren DDR, geeignet, dieses Problem zu lösen. Außerdemwirkt auch die Tablettenfluoridie- rung vor allem auf die imMund vorhandenen Zähne, wenn die Tabletten gelutscht werden. Diese Wirkung ließe sich auch mit Zahnpaste erzielen, die gleichzeitig das ebenfalls not- wendige Zahnputzen etabliert. Die Tablettengabe oder „Fluoridsupplemen- tierung“ kann in der Praxis suggerieren, dass Karies durch einen Fluoridmangel bedingt ist, weshalb dann andere Faktoren wie die Zuckeraufnahme und das Zähneputzen in den Hintergrund treten könnten und es in der Folge bei Patienten zur Vernachlässigung dieser Bausteine der Kariesprophylaxe kommt. Die systemische Gabe erfordert zwingend eine gute Fluoridanamnese und den Aus- schluss anderer Fluoridquellen (Tabelle 1), insbesondere das Verschlucken von fluorid- haltiger Zahnpaste im Kleinkindalter, um das Risiko einer Dentalfluorose bei Kleinkindern [Evans et al., 1991; Ismail et al., 2008] zu vermeiden. Im Lichte dieser Erkenntnisse empfiehlt die neue europäische Richtlinie [EAPD, 2019] für die ersten zwei Lebensjahre keine Fluoridtabletten, die für rund zwei Drittel der Fluorosefälle verantwortlich sind [Pendrys, 2000], und sie bezeichnete die verfügbaren Studien zur Wirksamkeit von Fluoridtabletten als widersprüchlich, von schwacher Qualität und „verzerrt“. Zahnpasten Der deutliche Kariesrückgang in vielen Län- dern wird insbesondere auf die Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasten zurückgeführt [Walsh et al., 2010; Twetman et al., 2003; Twetman, 2009], deren kariespräventiver Ef- fekt durch zahlreiche systematische Literatur- reviews exzellent untersucht ist. Der Fluorid- gehalt von Zahnpasten ist gesetzlich auf maximal 1.500 ppm festgelegt und deutsche wie europäische Richtlinien empfehlen diese maximale Konzentration einheitlich ab einem Alter von sechs Jahren [DGPZM, 2018; EAPD, 2019]. Lediglich beim Kleinkind sind fluoridreduzierte Kinderzahnpasten aufgrund der Dentalfluorosegefahr indiziert. Bei der Wahl der Altersgrenzen und Konzentratio- nen sind das Karies- und das Fluoroserisiko abzuwägen, hier hat aufgrund der persistie- rend hohen Karieswerte im Milchgebiss mit den aktuellen deutschen und europäischen Empfehlungen ein Umdenken stattgefunden. Ähnlich wie in England und in den skandina- vischen Ländern wird jetzt auch bei Klein- kindern ein Fluoridgehalt von 1.000 ppm empfohlen, die Eltern sollen allerdings die Zahnpastenmenge bei Kindern kontrollieren und bis zum Alter von zwei Jahren auf eine reiskorngroße, danach auf eine erbsengroße Menge begrenzen. Selbstverständlich ist, dass das Putzen bis zum Alter von etwa sieben Jahren durch die Eltern tatkräftig übernommen wird und die Kinder nur Übende sind (Abbildung 4). Da die Wirk- samkeit von 500 ppm Fluorid oder weniger eher kritisch gesehen wird [Ammari et al., 2003; EAPD, 2019] sollte auch bei der deutschen Empfehlung für die Altersgruppe sechs Monate bis zwei Jahre eher die 1.000-ppm-Fluoridzahnpaste in Reiskorn- dosierung eingesetzt werden (Abbildungen 1 und 2). Fazit Entsprechend dem aktuellen Stand der Wissenschaft empfehlen die deutschen und die europäischen zahnmedizinischen Fach- gesellschaften das tägliche Einbürsten von fluoridhaltiger Zahnpaste als Standardpro- phylaxe. Für Kinder sollte dies aufgrund der weiterhin hohen Karieswerte imMilchgebiss ab dem ersten Zahn jetzt auch mit 1.000 ppm Fluoridgehalt erfolgen. Der regelmäßige ord- nungsgemäße Gebrauch von Kinderzahn- pasten führt bei einer Kontrolle der anderen Fluoridquellen, insbesondere bei Ausschluss der systemischen Zufuhr über Tabletten, nicht zur Dentalfluorose. Prof. Dr. Christian H. Splieth Abteilung Präventive Zahnmedizin & Kin- derzahnheilkunde Universität Greifswald Fleischmannstr. 42 17475 Greifswald splieth@uni-greifswald.de Fluoridanamnese Benutzen Sie ... Kinderzahnpaste mit Fluoridgehalt: ……. ppm Erwachsenenzahnpaste mit Fluoriden Fluoridhaltiges Speisesalz Fluoridgelee Fluoridhaltige Mundspüllösung Fluoridtabletten, Dosierung: ……. mg Fluoridgehalt im Trinkwasser: ……. mg/l = ppm Tabelle 1, Eine komplette Fluoridanamnese ist gerade bei der systemischen Gabe von Fluoriden zum Beispiel durch Tabletten essenziell. Regelmäßig Gelegentlich Nein Quelle: Christian H. Splieth Foto: privat Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 32 Zahnmedizin

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