Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 109, Nr. 18, 16.9.2019, (2028) gerufen. Immer wieder jedoch kommt es vor, dass trotz objektiv feststellbarer patho- logischer Veränderungen selbst auf konkrete Nachfrage Schmerzen oder Probleme ver- neint werden und auch sonst keine Schmerzsignale wahrnehmbar sind. In die- sem Fall kann eine anderweitig begründete Schmerzmedikation oder auch die subjektiv zurückhaltende Einschätzung des Patienten ursächlich sein. Reduziert man scharfe Kan- ten oder entfernt Druckstellen, sagt oder signalisiertder Patient jedoch: „Viel besser!“. Menschen messen also unter Umständen einem Problem keine große Bedeutung bei, nehmen jedoch Verbesserungen sehr wohl wahr. Die Kontrolluntersuchungen leisten hier einen wertvollen Beitrag zur Identifizierung. Scharfe Kanten und Druckstellen können in der Regel mit einfachen Hilfsmitteln vor Ort geglättet beziehungweise entfernt werden (Abbildung 5). \ Die Prothese hält nicht mehr! Diesen Satz hören wir häufig. Manchmal ge- nügt es, eine Klammer oder ein Verbindungs- element zu aktivieren beziehungsweise zu erneuern. In anderen Fällen sind aufgrund der Atrophie der Kiefer Unterfütterungen angezeigt. Wenn infolge der Atrophie die Statik der Zahnaufstellung problematisch geworden ist, reicht dies jedoch unter Um- ständen nicht aus. Manchmal sind orale Dyskinesien oder der Schwund der Musku- latur im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich der Grund dafür, dass die muskuläre Stabilisie- rung der Prothesen nicht mehr funktioniert. Bevor wesentliche Veränderungen an den Prothesen vorgenommen werden, sollte der Einsatz von Haftcreme empfohlen werden, auch wenn es bisher ohne ging. Den Gaumen zu schließen, Prothesenränder wesentlich zu verändern oder gar Zähne umzustellen, birgt immer das Risiko, dass eine Prothese nicht mehr adaptiert und damit nicht mehr getragen wird. Manchmal ist es dann sinn- voll, mit den Angehörigen zu sprechen und sich über eine neue Prothese im Sinne einer Duplikatprothese dem Ziel zu nähern (Ab- bildung 6). Unterfütterungen oder Überabformungen können in der Regel ebenfalls vor Ort er- folgen. Dabei sollte mit vertrauten Mate- rialien – am besten solchen mit kurzer Ab- bindezeit – gearbeitet und der Material- einsatz im Mund auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. Bei allen Ver- änderungen empfiehlt sich nach ein paar Tagen eine Kontrolle – eine Unterfütterung beispielsweise kann selbst wieder Druckstel- len nach sich ziehen, ohne dass der Patient dies reklamiert. \ Der Zahn, die Krone, die Brücke ist herausgebrochen! Manchmal hält eine Prothese nicht mehr, weil ein Ankerzahn abgebrochen ist. Oder überhaupt bricht ein Zahn, eine Krone oder gar eine ganze Brücke ab, fällt heraus, wird verschluckt oder – in seltenen Fällen – aspiriert. Natürlich sind Wurzelreste im Kiefer ein potenzielles Gesundheitsrisiko. Allerdings sehen wir bei gebrechlichen Menschen häufig keinerlei klinische Symp- tomatik (Schmerzen, Schwellung, Eiter) und Interimsprothese (Abbildung 7) Wir wurden gerufen, weil dieser Patientin die Frontzahnbrücke im Oberkiefer herausgefallen war. Zwei Wurzelreste waren noch im Kiefer, der dritte Ankerzahn ist mit der Brücke komplett ausgefallen (oben rechts und links). Die Patientin ist im Rollstuhl mobil und in der Kommunikation nicht eingeschränkt – sie kann klar ihre Wünsche äußern. Sie gab an, keine Schmerzen zu haben, lediglich im Bereich der Wurzelreste spüre sie scharfe Kanten. Die Patientin bekommt ein Medikament zur Blutverdünnung und zudem in den letzten Jahren unterschiedliche Antiresorptiva gegen Osteoporose. Sowohl die Patientin als auch die Angehörigen haben den Wunsch einer zügigen Versorgung der Lücke geäußert – nach Möglichkeit in der Einrichtung und unter Belassung der bestehenden Kronen und Brücken im Oberkiefer. Bei aufrechter Kopf-Körperhaltung wurden in der Einrichtung zunächst mit einem mobilen Motor ohne Wasserkühlung die scharfen Kanten der Wurzelreste geglättet, Alginat-Abfor- mungen genommen (so wenig Material wie möglich) und die Zahnfarbe bestimmt. Um einen möglichst guten Halt zu gewährleisten, wurden auch die endständigen Zähne in die Interimsprothese mit einbezogen – die nach mesial geöffneten Klammern reduzieren dabei die Verletzungsgefahr bei der Eingliederung. Die Patientin tolerierte die Interimsprothese von Anfang an sehr gut und auch die Angehörigen waren mit der optischen Erscheinung sehr zufrieden (unten links), weshalb eine definitive Versorgung zum Beispiel mit einer Ein- stückguss-Prothese zunächst nicht weiter geplant ist. Die Situationsmodelle für die Interims- prothese haben auch den Verdacht bestätigt, dass aufgrund der unterschiedlichen Einschub- richtung Schleifmaßnahmen an den Kronen in größerem Umfang notwendig wären. Wichtig war es, die Pflegekräfte gut und intensiv zu instruieren. Die Patientin kann zwar die Zähne noch selbständig putzen, die Prothese aber kann sie nicht eigenständig ein- und ausgliedern. Bei einem Kontrollbesuch eine Woche später wurde mit dem Pflegepersonal das Ein- und Ausgliedern nochmals geübt. 90 Zahnmedizin

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