Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 109, Nr. 18, 16.9.2019, (2034) Die besorgte Mutter eines zehn Monate alten Säuglings hatte vor circa drei Wochen eine progrediente Schwellung zervikal rechts bemerkt. Palpatorisch war diese prall elas- tisch, nicht druckdolent und von der Größe eines Golfballs (Abbildung 1). Schlucken falle ihrem Kind zunehmend schwerer, ebenso war die Atmung deutlich abgeflacht. Kin- derärztlich waren alle Untersuchungen un- auffällig und zeitgerecht erfolgt. Eine vorangegangene Sonografie zeigte eine zystische Struktur mit echoarmem, homogenem Inhalt in der Größe von 3,5 cm x 2,5 cm x 3,8 cm. Zur weiterführenden Abklärung erfolgte ein MRT in Intubations- narkose. Dabei imponierte die glatt beran- dete 3,8 cm x 4 cm x 4 cm große homogene Formation ohne Nachweis einer perifokalen Umgebungsreaktion. Kranial reichte diese bis unterhalb der Glandula submandibula- ris, ventral und lateral wies sie eine enge Lagebeziehung zumM. sternohyoideus und zumM. sternocleidomastoideus auf. Dorsal- seitig grenzte sie an den M. scalenus anterior sowie an den M. longus colli. Die Trachea wird durch die Raumforderung bereits partiell ohne Nachweis einer Kompression nach kontralateral verlagert, die A. carotis communis und V. jugularis externa waren pelottiert. Die Formation zeigte keinerlei Hinweis auf ein infiltratives Wachstum (Ab- bildungen 2 und 3). Vereinbar mit demmor- phologischem Bildaspekt im MRT wurde die Verdachtsdiagnose „laterale Halszyste“ und die OP-Indikation zur histopathologischen Sicherung gestellt. Es erfolgte die chirurgische Exstirpation der zervikalen Raumforderung in Intubations- narkose. Dabei waren deutlich starke Ver- wachsungen der zystenähnlichen Formation zur V. jugularis interna und zur A. carotis communis erkennbar (Abbildung 4). Die Raumforderung stellte sich nach der histopathologischen und immunhistoche- mischen Untersuchung als Lymphangiom mit Einblutungen heraus und wurde in toto exstirpiert. Dieses Lymphangiom wies eine dünnwandige zystische Struktur mit einer schmalen Wand aus glatten Muskelfasern und zellarmer Fibrose auf (Abbildung 5). Im Inneren der Raumforderung fanden sich Erythrozytenaggregate sowie dunkelbraun pigmentierte histiozytäre Zellen im Bereich der Wand, passend zu Hämosiderin- makrophagen. Die Abbildungen 6 und 7 zeigen makro- skopisch die kugelige Raumforderung und deren Inhalt. Bereits innerhalb weniger Stunden zeigte sich postoperativ sowohl eine deutliche Bes- serung des Schluckvermögens als auch eine Erleichterung der Atmung des Säuglings. Diskussion Unter einem Lymphangiom versteht man eine gutartige Neoplasie beziehungsweise Malformation der Lymphgefäße, die nicht Bestandteil des normalen Lymphsystems ist und deshalb auch nicht mit dem Lymph- abfluss interferiert [Siegenthaler & Amann- Vesti, 2006]. Lymphangiome entstehen aus versprengtem Gewebe aus einem der fünf embryonalen Lymphsäcke [Cohnen, 2012]. In zwei Dritteln liegen Lymphangiome bereits bei Geburt vor, in einem Drittel der Fälle werden sie erst später klinisch mani- fest, da sie vorher nicht mit Lymphflüssigkeit gefüllt sind. Durch Einblutungen kann es zu einer plötzlichen Größenzunahme des Lymphangioms kommen [Cohnen, 2012] und so die umgebenden anatomischen Strukturen verdrängen. In 66 Prozent der Fälle sind Lymphangiome in der Halsregion lokalisiert, zu 33 Prozent an allen anderen MKG-Chirurgie Zervikales Lymphangiom Nora Lautner, Matthias Lammert, Frank Hölzle, Ali Modabber Zervikale Raumforderungen bei Säuglingen sollten zeitnah abgeklärt werden. Aufgrund der erhöhten Rezidivgefahr bei unvollständiger Entfernung muss bei Lymphangiomen und lateralen Halszysten immer eine In-toto-Resektion ange- strebt werden. Foto: Nora Lautner 96 Zahnmedizin

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