Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 109, Nr. 20, 16.10.2019, (2230) Die Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Jürgen Wasem und Dr. Anke Walendzik von der Uni- versität Duisburg-Essen haben in ihrer Studie imAuftrag der Bertelsmann-Stiftung Vorschlä- ge für eine Reform der ärztlichen Vergütung vorgestellt. Derselbe Eingriff, je nach dem ob ambulant in einer Praxis oder stationär in ei- nem Krankenhaus erbracht, wird oft nach völ- lig unterschiedlichen Regeln honoriert, arbei- ten die Autoren heraus. Ihr Vorschlag: Es sollte ein dritter, vom ambulanten und stationären Bereich abgegrenzter Versorgungsbereich eingeführt werden. Dazu haben die Autoren zwei Modellvarianten zur sektorenübergrei- fenden Vergütung entwickelt: Eine Variante setzt mehr auf Einzelleistungsvergütung, die andere mehr auf Pauschalen. Die Handlungsempfehlungen im Einzelnen: \ Die Definition eines dritten, von ambulan- tem und stationärem Sektor abgegrenzten Versorgungsbereichs für ambulant erbring- bare, aber sowohl in der Arztpraxis wie im Krankenhaus durchgeführte Leistungen. \ Eine kontinuierliche Überprüfung und An- passung des neuen Versorgungsbereichs unter Beteiligung der Akteure oder durch die Gemeinsame Selbstverwaltung. \ Der Aufbau eines Vergütungssystems für diesen Versorgungsbereich mit einheitli- chen Regeln für Vertragsärzte und Kranken- häuser. Dieses System köönne wie bisher auf Einzelleistungsvergütungen mit konsequen- ter Fixkostendegression oder auf eine stär- kere Pauschalierung setzen. \ Die Freigabe neuer Behandlungs- und Un- tersuchungsmethoden für dafür nachweis- lich geeignete Vertragsärzte in diesem Ver- sorgungsbereich. \ Die Zusammenführung der bisher nach Sektoren getrennten Bereiche zu einer ge- meinsamen morbiditätsbezogenen Kapazi- tätsplanung. GKV und PKV angleichen Die Angleichung der Honorarsysteme erfor- dert laut der Studie gleichzeitig die Neuge- staltung der Finanzierung von GKV und PKV. Damit geht auch um die Einbeziehung von Privatpatienten in das vorgeschlagene neue Vergütungssystem. Eine Angleichung der Honorarsysteme von gesetzlicher und privater Krankenversicherung sei versor- gungspolitisch wünschenswert, heißt es in der Studienzusammenfassung. Da die An- gleichung aber von der Ärzteschaft nur ak- zeptiert würde, wenn sie insgesamt auf- kommensneutral erfolgt, wäre ein Niveau- ausgleich zwischen beiden Honorarsyste- men notwendig. Dadurch würden GKV-Ver- sicherte be- und PKV-Versicherte entlastet – die Studie geht dabei von mehr als fünf Mil- liarden Euro jährlich zulasten der GKV aus. Eine Aufhebung der dualen Vergütung sei kaum denkbar ohne auch die Finanzie- rungsstruktur der Krankenversicherung ins- gesamt neu zu gestalten – entweder durch einen Finanzausgleich zwischen GKV und PKV oder durch die Integration beider Versi- cherungszweige. Der Spitzenverband Fachärzte Deutsch- lands (SpiFa) widerspricht der Studie der Bertelsmann-Stiftung, sie geht für ihn „am Thema vorbei“. Die Studie wärme den alt- bekannten Traum von der Bürgerversiche- rung mit auf. Die Angleichung beider Ver- gütungssysteme berücksichtige nicht, dass der freie Beruf des Arztes einen Anspruch auf eine freie Gebührenordnung habe. Der Verband der Privatärztlichen Verrech- nungsstellen (PVS) weist darauf hin, dass jegliche Angleichungen der Honorierungs- system von GKV und PKV zu erheblichen Mehrbelastungen für die gesetzlich Versi- cherten führe. Im ambulanten Bereich wür- den in kürzester Zeit rund fünf bis sechs Mil- liarden Euro an ärztlichen Honoraren verlo- ren gehen, rechnet der Verband vor. Hono- rarausfälle hätten fatale Folgen. Praxen wür- den schließen, Fachpersonal entlassen und durch notwendige Einsparungen auch die gewohnte Qualität der medizinischen Ver- sorgung deutlich sinken. Um dies zu verhin- dern, bliebe dann nur ein Weg: Die Hono- rarverluste müssten durch höhere Beiträge der gesetzlich Versicherten kompensiert werden. Die Bundesregierung hatte sich laut Koaliti- onsvertrag zum Ziel gesetzt, für die ambu- lante Versorgung ein „modernes Vergü- tungssystem“ zu schaffen. Eine Experten- kommission soll bis Ende 2019 Vorschläge für Reformen vorlegen. Außerdem arbeitet eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe an der Weiterentwicklung der sektorenübergrei- fenden Versorgung. pr Bertelsmann-Studie zur ärztlichen Vergütung Forscher plädieren für einheitliches Honorarsystem Vorschläge zu einer Reform der ärztlichen Vergütung macht eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung. Reformbedarf sehen die Autoren vor allem bei der Ver- gütung der Leistungen, da diese sowohl ambulant wie auch stationär erbracht und oft völlig unterschiedlich honoriert werden. Gefordert wird auch eine Anglei- chung der gesetzlichen und privaten Honorare. Aus der Fachwelt kommt Kritik. Foto: AdobeStock_photocrew 20 Politik

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