Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 109, Nr. 20, 16.10.2019, (2238) wählt zu werden. Oder Sie entscheiden sich, fortan nicht mehr Teil einer solchen Show zu sein und erklären Ihren Ausstieg. Aber was wäre, wenn Herzblatt diesen Ausstieg mit der Aussage ablehnen würde, dass es nicht hinnehmbar für den Picker sei, nicht aus al- len möglichen Kandidaten auswählen zu können? Wenn Ihnen diese Argumentation unge- recht vorkommt, dann geht es Ihnen wie denjenigen Ärzten, die nichts lieber täten, als ihr Profil bei jameda löschen zu lassen, mit diesem Ansinnen aber bislang bei der Plattform auf taube Ohren stießen. Zwar war 2018 eine Kölner Dermatologin vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erfolgreich mit ihrem datenschutzrechtlichen Lö- schungsanspruch hinsichtlich ihres jameda- Profils, den sie damit begründete, es sei un- zumutbar, als „Werbeoberfläche“ miss- braucht zu werden und dabei auf das „Fea- ture“ hinwies, dass jameda auf den Seiten der nicht-zahlenden Ärzte Anzeigen zahlen- der Ärzte schaltete. Aus Sicht des BGH hatte jameda damit die Rolle als „neutraler Infor- mationsmittler“ verlassen. Wer als Arzt nach diesem Urteil jedoch gehofft hatte, er könne jameda nun den Rücken kehren, irrte sich. Denn jameda entfernte kurzerhand die be- anstandete Werbefunktion und verkündete in einer Pressemitteilung: „jameda hat Anzeigen mit sofortiger Wirkung zur weiteren rechtmäßigen und vollständigen Listung von Ärzten entsprechend angepasst […] Ärzte können sich nicht aus jameda lö- schen lassen.“ Schon damals wurden allerdings Stimmen laut, die die Löschung nur dieses einen „Features“ als nicht ausreichend erachteten und jegliche, auch subtilere Optimierungs- oder Werbemaßnahmen, mit denen jameda ihre Premium-Mitglieder aktiv unterstützte, als mit einer neutralen Rolle nicht vereinbar ansahen. Dass zahlende Ärzte 24 Vorteile haben, geht nicht! Dieser Ansicht hat sich nun auch das Land- gericht Bonn (Urteil vom 28. März.2019 – Az.: 18 O 143/18) angeschlossen. Kläger war diesmal ein Facharzt für Oralchirurgie, der neben dem datenschutzrechtlichen Lö- schungsanspruch auch die Unterlassung der Wiederaufnahme seines Profils verlangte, sollte jameda nicht zukünftig von insgesamt 24 (!) genau beschriebenen Vorteilen für zahlende Ärzte Abstand nehmen. Dazu ge- hörten etwa die Bereitstellung professionel- ler Texter oder Veröffentlichungen in einem „Experten-Ratgeber“, aber auch ganz pro- fane Dinge wie die Möglichkeit, ein Porträt- Bild zu verwenden oder die Angabe der ei- genen Praxis-Homepage. Mit dieser umfas- senden Liste wollte der Kläger offenbar ganz sichergehen, dass jameda nicht, im Sinne der Salami-Taktik, nur wieder einige weitere Werbefunktionen abstellen würde, um dann wieder den neutralen Status für sich zu proklamieren. Das Gericht sah die Klage des Oralchirurgen als begründet an und gab ihm in allen Punk- ten recht. Liest man die Entscheidung, wird schnell klar, was das Gericht von jamedas Geschäftsmodell hält, nämlich nicht viel. Unter anderem findet sich die Feststellung: „Mit ihrer Online-Datenbank verfolgt sie [ja- meda], wie ausgeführt, privatwirtschaftliche Zwecke. Diese werden – ebenfalls unstreitig – nicht etwa (allein) durch Schaltung von Wer- bung generiert, das heißt durch Umstände, die mit dem Inhalt der auf der Seite verarbeiteten Daten nicht in einem unmittelbaren Zusam- menhang stehen, sondern durch monatliche „Mitgliedsbeiträge“ der gelisteten Ärzte. Diese Beiträge „erkauft“ sich die Beklagte dadurch, dass sie es den Ärzten ermöglicht, ihre Profil- seite für Besucher des Bewertungsportals an- sprechender zu gestalten. Es ist offenkundig, dass sich aufgrund der mit einer solchen Ge- staltung verbundenen psychologischen Wirk- mechanismen Besucher des Portals von sol- chen Profilseiten auf einer – vorwiegend unbe- wussten – Ebene eher angesprochen fühlen werden als von den „Basis-Profilen“, die – im Gegensatz zu den Profilen zahlender Ärzte – zum Beispiel nur über eine graue Silhouette als Profilfoto verfügen. Das ist unmittelbar ein- sichtig, weil hierin gerade das Geschäftsmodell der Beklagten besteht, anderenfalls nicht er- sichtlich wäre, warum ein Arzt bereit sein soll- te, Monatsbeiträge in bis zu dreistelliger Höhe zu investieren.“ Nur einen Tag nach diesem Urteil gaben auch das Landgericht Wuppertal (Urteil vom 29. März 2019 – Az.: 17 O 178/18) und er- neut das Landgericht Bonn (Urteil vom 29. März 2019 – Az.: 9 O 157/18) weiteren Ärz- ten mit ihren datenschutzrechtlichen Lö- schungsansprüchen recht. In beiden Fällen sahen die Gerichte es als erwiesen an, dass jameda die Rolle des neutralen Informati- onsmittlers verlassen hatte. Die Rosinenpickerei muss ein Ende haben Die Entscheidungen verdienen Zustim- mung und zeigen, dass die Gerichte der Meinung sind, dass jameda lange Zeit Rosi- nen gepickt hat. Man kann sich nicht zum einen darauf berufen, mit einer vollständi- gen Ärzteliste einen gesellschaftlichen Auf- trag zu erfüllen, weil nur so das Recht der im Internet suchenden Patienten auf freie Arzt- wahl gewährleistet sei und zum anderen von nicht-zahlenden Ärzten verlangen, dass diese akzeptieren, dass ihr Kollege um die Ecke seine Profilbesucher bei jameda mit ei- nem warmen Lächeln und geschliffenen Worten begrüßt, während sie nur eine graue Silhouette und einige Schlagworte auflisten dürfen. Dies ist, um es mit den Worten des LG Wuppertal zu sagen, „ein negativer Anker zur Bewerbung der Kon- kurrenz“, der so nicht hinnehmbar ist. Natürlich ist jameda längst gegen die Urtei- le in Berufung gegangen und dass dieser Fall auch dort nicht zu Ende sein wird, son- dern erst beim BGH, ist ein offenes Geheim- nis. Sollte der BGH sich den Entscheidun- gen der Landgerichte anschließen, wird ja- meda bald am Scheideweg stehen: Voll- ständige Ärztelisten oder Finanzierung durch Premium-Pakete. Und mit ganz viel Fantasie kann man sich vorstellen, wie sich Susi Müller im Off schon für die große Frage bereit macht. Dr. Thomas Jochheim, Rechtsanwalt Klinkert Rechtsanwälte PartGmbB Taunusanlage 15, 60325 Frankfurt am Main 28 Politik

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