Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 109, Nr. 20, 16.10.2019, (2266) kann. Obwohl der Zusammenhang zwischen Parodontitis und T2DM am häufigsten unter den eingeschlossenen systematischen Über- sichtsarbeiten untersucht wurde, berichteten die Studien jedoch nicht, dass sie die kausale Inferenz über den Zusammenhang zwischen beiden Krankheiten spezifisch untersucht hätten. Umgekehrt berichteten alle systematischen Übersichtsarbeiten, die die Kausalität zwischen Zahnbeschwerden und anderen chronischen Erkrankungen untersuchten, übereinstimmend über unzureichende Evidenz zur Bestimmung der Kausalität. Infolgedessen konnten wir nicht endgültig bestätigen, dass die identifizierten Zusammenhänge kausal sind. Für Parodontitis mit T2DM und Parodontitis mit CVD konnte die Existenz einer Korrelation durch mehrere Studien bestätigt werden. Bei anderen Krankheitskorrelationen (Zahn- verlust bei CVD, Zahnkaries bei T2DM und Parodontitis bei zerebrovaskulärer Erkrankung) war die Evidenz eingeschränkt. Für weitere Zusammenhänge blieb die Evidenzlage un- klar bis unzureichend. Unabhängig vom Evidenzlevel der Zusammenhänge bleibt die Aussagekraft der aktuell vorhandenen Untersuchungsergebnisse oft vage. Gemeinsame Risikofaktoren begünstigen die Entwicklung weiterer Krankheiten bei chronisch kranken Patienten. Sie können möglicherweise als Indikatoren für das Vorhandensein einer anderen zusammen- hängenden Krankheit verwendet werden. Die Sensibilisierung der Mediziner für dieses Thema kann die Prävention und Früherken- nung von Komorbiditäten bei chronisch kranken Patienten verbessern. Im Rahmen der intersektoralen Versorgung sollten ge- meinsame Risikofaktoren in Betracht gezo- gen werden, um Patienten zu identifizieren, die zur Überprüfung einer vermuteten Ko- morbidität an einen anderen Spezialisten überwiesen werden sollten. Insbesondere Patienten mit Komorbiditäten könnten von einer besseren Zusammenarbeit und Koor- dination zwischen den behandelnden Ärz- ten in verschiedenen Disziplinen profitieren. Ausblick Die vorliegende Übersichtsarbeit über die Zusammenhänge zwischen Zahnbeschwerden und chronisch-systemischen Erkrankungen könnte als Leitfaden dienen, um zukünftige Studien über die Wechselwirkungen zwischen Krankheiten zu priorisieren, wobei der kausalen Inferenz besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Der Schwerpunkt sollte auf der Identifikation der am besten gesicherten Zusammenhänge und Lücken in der Unter- suchung von Krankheitskorrelationen liegen. Um Unsicherheiten zu verringern und das Bewusstsein für Krankheitszusammenhänge angemessen zu schärfen, ist es wichtig, Me- diziner und Patienten darüber zu informieren, inwieweit es entscheidende Hinweise auf (po- tenziell) kausale Krankheitszusammenhänge gibt. Dies dürfte auch für die Entwicklung klinischer Leitlinien für die intersektorale Ver- sorgung relevant sein. Um die Entwicklung sektorenübergreifen- der Leitlinien zu fördern und Zahnärzten und Ärzten grundlegendes Wissen über die Zusammenhänge zwischen den untersuch- ten Krankheiten zur Verfügung stellen zu kön- nen, sollte sich die Forschung auf die zugrun- deliegenden Ursachen und das Ausmaß der Krankheitsbeziehungen konzentrieren. Darü- ber hinaus sollte geprüft werden, wie und in- wieweit Interventionen die Behandlung und Prävention von miteinander zusammenhän- genden Krankheiten unterstützen können. Dieser Beitrag basiert auf der in englischer Sprache veröffentlichten Originalarbeit: Seitz MW, Listl S, Bartols A, Schubert I, Blaschke K, Haux C et al.: Current Knowledge on Correlations Between Highly Prevalent Dental Conditions and Chronic Diseases: An Umbrella Review. Prev Chronic Dis 2019;16:180641. DOI: http://dx.doi . org/10.5888/pcd16.180641 Max Seitz Universitätsklinikum Heidelberg Institut für Medizinische Biometrie und Informa- tik, Sektion Medizinische Informatik Im Neuenheimer Feld 130.3 69120 Heidelberg Max.Seitz@med. uni-heidelberg.de Prof. Dr. med. dent. Dr. rer. pol. Stefan Listl, M.Sc. Radboud university medical center, Radboud Institute for Health Sciences, Department of Dentistry – Quality and Safety of Oral Healthcare Philips van Leydenlaan 25 6525EX Nijmegen, Niederlande und Universitätsklinikum Heidelberg Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Sektion Translationale Gesundheitsökonomie Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg Dr. Andreas Bartols, M.A. Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Lorenzstr.7 76135 Karlsruhe Dr. rer. soc. Ingrid Schubert Forschungsgruppe Primärmedizinische Versorgung (PMV-Forschungsgruppe) Universität zu Köln Herderstr. 52 50931 Köln Katja Blaschke, M.Sc. Forschungsgruppe Primärmedizinische Versorgung (PMV- Forschungsgruppe) Universität zu Köln Herderstr. 52 50931 Köln Christian Haux, M.Sc. Universitätsklinikum Heidelberg Institut für Medizinische Biometrie und Informatik, Sektion Medizinische Informatik Im Neuenheimer Feld 130.3 69120 Heidelberg Dr. Marieke van der Zande Radboud university medical center, Radboud Institute for Health Sciences, Department of Dentistry – Quality and Safety of Oral Healthcare Philips van Leydenlaan 25 6525EX Nijmegen, Niederlande und Universitätsklinikum Heidelberg Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Sektion Translationale Gesundheitsökonomie Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg Alle Porträtfotos: privat Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 56 Zahnmedizin

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