Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 109, Nr. 20, 16.10.2019, (2288) Der Mensch strebt während seines gesam- ten Lebens nach Autonomie und Selbst- bestimmung. Er kennt sich selbst am besten, seine persönlichen Stärken und Defizite, sei- nen eigenen Körper. Infolgedessen erwarten Patienten auch in Bezug auf ihre Zahn- gesundheit als kompetente Partner wahrge- nommen zu werden, als Experten in eigener Sache, denen mit Respekt, Einfühlsamkeit, Wertschätzung und Transparenz begegnet wird. Als Partner, die in den Behandlungs- prozess integriert sind und denen ein Urteilsvermögen in eigener Sache zugetraut wird. Dabei geht es nicht darum, genauso kom- petent zu sein wie die Zahnärztin oder der Zahnarzt. Vielmehr geht es um eine inhalt- liche Augenhöhe, das heißt: Patienten ken- nen alle Informationen, die für ihre persönli- che Entscheidungsfindung wichtig sind – die eigenen Werte, Lebensumstände und Wünsche. Der Zahnarzt ist und bleibt der Experte für alle zahnmedizinischen Belange. Der Patient als Partner Patienten möchten ausführlich über ihre Be- handlung informiert werden und darüber, welche Vor- und Nachteile mit einer be- stimmten Therapie verbunden sind. Auch über Risiken und Folgen der Behandlung, Nebenwirkungen oder schlechte Prognosen wollen und müssen (!) Patienten in Kenntnis gesetzt werden. Präventionsmöglichkeiten oder Behandlungswege offen zu besprechen und gemeinsam zu entscheiden, ist ein wichtiger Schritt zum Behandlungserfolg. Ein Dialog auf Augenhöhe schärft zudem die Erwartungen und steigert die Bereit- schaft der Betroffenen, beispielsweise auch die Unannehmlichkeiten einer Behandlung anzunehmen. Manche Zahnärzte scheuen diese offene Ansprache teilweise. Sie fürchten, dass die Patienten die notwendige Behandlung an- sonsten ablehnen. Auf diese Weise wird das Risiko in Kauf genommen, Patienten zu frustrieren, indem sie diese notwendige Information erst dann erhalten, wenn die Situation bereits längst eingetreten ist. Ein vertrauensvolles Verhältnis wird damit unter- graben. Patienten wollen beteiligt werden und mit dem Behandler gemeinsam über die nächsten Schritte entscheiden. Wann ist beispielsweise eine PA-OP, die Folge- schmerzen verursacht, am besten in die Lebenssituation des Patienten integrierbar? Patienten, die in einem hohen Maß integriert werden und klare Informationen erhalten, sind in der Regel die zufriedeneren Patien- ten und auch bereit, die Konsequenzen der Behandlung kooperativ mitzutragen. Als Zahnarzt sind Sie gesetzlich dazu ver- pflichtet, Diagnosen und Behandlungs- optionen sowie die Vor- und Nachteile einer Untersuchung oder Behandlung verständlich zu erläutern. Doch wie vermittelt man die notwendigen Informationen verständlich? Reinhard Tausch, ein führender deutscher Kommunikationswissenschaftler, sagte zur Verständlichkeit: „Wenn Sie etwas kommu- nizieren und Sie kommunizieren es nicht so, dass es ein achtjähriges Kind verstehen kann, sollten sie gar nicht anfangen zu sprechen.“ Das bedeutet: keine zahnmedizinischen lateinischen Fachbegriffe, sondern deren Übersetzung ins Deutsche. Vergleichen Sie Ihre Erklärungen mit Vorgängen des täglichen Lebens. Verstecken Sie sich auch nicht hinter der Behauptung, das Geschehen sei zahnmedizinisch zu komplex, um es einem Laien erklären zu können. Üben Sie sich und bereiten Sie sich einige immer wieder auf- tauchende Erläuterungen vor, im Lauf der Zeit werden Sie sich ein gutes Repertoire an verständlichen zahnmedizinischen Erläute- rungen erarbeitet haben. Diese Art der Kommunikation fördert das Vertrauen in Sie als zahnärztliche Person. Was Ihre Patienten nicht brauchen, ist eine Informationsflut an technischen Erläuterungen. Vielleicht haben Sie gerade ein paar neue Patientenkommunikation Experte in eigener Sache Patienten sind autonome Persönlichkeiten, die den Behandlungsprozess verstehen, über verschiedene Therapieptionen Bescheid wissen und unter der fachlichen Beratung des Zahnarztes eigenverantwortlich entscheiden wollen. Was Patienten nicht möchten, ist überzeugt oder bedrängt zu werden. Diese Entscheidungen stehen dann meist auf tönernen Füßen und werden nicht selten zurückgenommen – oder führen zu einem Praxis- oder Zahnarztwechsel. Wenn Sie Ihrem Patienten die verschiedenen Therapieoptionen erläutern, tun Sie dies auf Augenhöhe. So ermächtigen Sie ihn zu einer wohl informierten Entscheidung – und gewinnen ihn langfristig für Ihre Praxis. Foto: AdobeStock_Viacheslav Iakobchuk 78

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