Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 109, Nr. 20, 16.10.2019, (2218) Prävention – Plädoyer für mehr Schnelligkeit \ Zum Leitartikel „Prävention ist auch eine Aufgabe der Politik“, zm 17/2019, S.6. Auf den Leitartikel „Prävention ist auch eine Aufgabe der Politik“ von Prof. Dr. Dietmar Oesterreich möchte ich gerne mit einem offenen Leserbrief antworten: Sehr geehrter Herr Prof. Oesterreich, Sie schreiben „Das britische Fachjournal ‚The Lancet‘ kritisiert, dass die Gesundheitssysteme zu stark therapie- und zu wenig präventionsorien- tiert seien“ und kontern mit dem Satz „Zunächst: Die Zahnmedizin ist in Sachen Prävention gut aufgestellt und zusammen mit den skandina- vischen Ländern führend“. Und der Vorstandsvorsitzende der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, schreibt im Leitartikel „Prävention vom ersten Milchzahn an“ in der zm 9/2019 „Der Wandel ist fast vollzogen: die konsequente Umsteuerung von der kurativen hin zur präventiven Zahnheilkunde“ – und meint damit die neuen FU-Positionen für Kleinkinder. Ich halte beide Aussagen für nicht richtig. Denn die Prävention ist mitnichten gut aufge- stellt in Deutschland. Mehr als 50 % der Deutschen leiden an Parodontitis und die Zahnärzte bohren sich nach wie vor die Finger wund! Die gesetzliche Prävention, gemeint sind FU- und IP-Leistungen auf Kasse, enden mit dem 18. Lebensjahr! Danach geht es erst wieder weiter mit der Prophylaxe auf Kasse, wenn der Bürger im Pflegeheim sitzt. Und die paar Jahre – so 40 bis 60 – dazwischen? Verdienen wir Zahnärzte unser Geld mit invasiver Therapie und nicht mit Prävention. Fast unser gesamtes Honorarsystem ist auf Therapie ausgelegt und das wird zurecht kritisiert. Wir sehen, dass die Individual- und Gruppenprophylaxe greift. In der Gruppe der Jugendlichen tritt kaum noch Karies auf. Los geht es erst wieder mit Löchern, wenn die jungen Erwachsenen aus dem gesetz- lichen IP-Programm ausscheiden. Sinnvoll wäre eine Mundhygiene- Schulung auf Kasse für alle Erwachsenen einmal pro Jahr. Damit meine ich nicht PZR auf Kasse! Das wäre ein Meilenstein in der Prophylaxe, im Gegensatz zu den gut gemeinten neuen FU-Positionen. Auch der in diesem Zusammenhang gerne hervorgehobene Nutzen der PZR ist mehr als fraglich, allzumal sich ein Patient diese erst mal leisten können muss. Denn der Nutzen einer PZR ohne eine eingehende Mund- hygieneinstruktion nach den Richtlinien der efp ist erwiesenermaßen gering, besagt eine aktuelle Cochrane-Analyse. Und leider, so belegen es die GOZ-Abrechnungsdaten aus 2017, sieht dies in Deutschland nicht anders aus – entgegen der Feststellung der BZÄK in der zm 10/2019 („Cochrane-Review: PZR – ohne Effekt auf die parodontale Gesundheit?“, S. 14–17, dort „Kurzbewertung der Bundeszahnärztekammer“, S. 16). Demnach kommen auf 137.000.000 (137 Mio!) abgerechnete Zahn- reinigungen nur 740.000 Mundhygieneschulungen. Das bedeutet, dass nur bei circa jeder siebten PZR auch eine Mundhygieneinstruktion erfolgt, bei einer angenommenen Vollbezahnung von 28 Zähnen. Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, antwortet Dr. Volker Storcks Die Motivationskunst des Behandlers ist der Erfolgsschlüssel Sehr geehrter Herr Dr. Storcks, Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Artikelreihe im britischen Fachjournal The Lancet waren die internationalen Vergleiche der vor- handenen Gesundheitssysteme. Die Bundeszahnärztekammer sieht es als ihre Pflicht an, solche Publikationen im Hinblick auf die aufgeführten Kriterien in diesem internationalen Vergleich zu prüfen. Dies haben wir getan und sind zu dem vorliegenden Ergebnis gekommen. Dass es weitere Handlungsbedarfe gibt, ist unwidersprochen und für uns seit Jahren Anlass, gerade imHinblick auf die Prävention, gesundheits- politische Initiativen auszulösen. Auch dies haben wir getan – siehe Ver- besserung der Prävention für Alte und Pflegebedürftige wie für Klein- kinder – arbeitsteilig zwischen BZÄK und KZBV. Vor dem Hintergrund der Prävalenz von 14 Prozent frühkindlicher Karies (in sozial schwierigen Lebenslagen bis zu 40 Prozent) und deren möglichen gesundheitlichen Konsequenzen für das Kleinkind ist dies nicht nur „gut gemeint“. Auch sind die Erfolge der Prävention mittlerweile durch die DMS V kontinuierlich und gut belegt. Karies und deren Folgen sind rückläufig und dies kann auch aufgrund der Abrechnungsdaten zu den Füllungsmaßnahmen, die seit 1991 kontinuierlich um 2,4 Prozent pro Jahr sinken, belegt werden. Sie beziehen sich insbesondere auf das Vorkommen der Parodontitis. Völlig zu Recht, hier können uns die Prävalenzen nicht befriedigen. Aber auch hier gibt es Entwicklungen. Die oben zitierte Mundgesund- heitsstudie zeigt auch einen deutlichen Rückgang von über 50 Prozent bei den schweren und eine deutliche Zunahme keiner oder milder Parodontalerkrankungen. Leider gibt es hierzu keinerlei einleuchtende Erklärungen aus den zuständigen Fachgremien. Auch vermissen wir sicht- bare Forschungsinitiativen zu den Ursachen dieser Entwicklungen. Bei allen wissenschaftlichen Grenzen einer Querschnittsstudie wie der DMS V haben wir jedoch sehen können, dass es statistisch auffällige Zusammen- hänge zwischen dem Sinken der Erkrankungslast und der regelmäßigen Inanspruchnahme einer PZR gibt. Zudem haben wir feststellen können, dass Patienten mit einer hohen Kontrollorientierung und hohen Selbstwirksamkeitsüberzeugung niedrige Prävalenzen aufweisen. Liegt es nicht nahe, dass es den Zahnärzten gelungen ist, das Verhalten im Sinne der Verbesserung der Mundgesundheit ihrer Patienten bereits zu beeinflussen? Nicht umsonst besteht die Bundeszahnärztekammer auf ihrer fachlichen Definition der PZR. Mundhygieneschulungen sind fachlicher Bestandteil dieser Maßnahme, auch wenn die Gebühren- ordnung mit ihren staatlichen Festlegungen eine andere Sprache spricht (und dies ist nicht nur bei dieser Leistungsbeschreibung eine Tatsache). Die individuelle Verhaltensbeeinflussung setzt jedoch voraus, dass gezielt Gesprächstechniken eingesetzt werden. Ich nenne hier nur beispielhaft 8 Leserforum

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