Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 109, Nr. 20, 16.10.2019, (2298) Möglichst minimal-intervenierend zu thera- pieren, ist das Ziel der modernen Zahnheil- kunde [Tyas et al., 2000]. Um den Patienten einen adäquaten Therapievorschlag hin- sichtlich einer approximalen kariösen Läsion unterbreiten zu können, sollten folgende zahn- bezogenen Faktoren abgeschätzt werden: \ Ausdehnung der Karies: Beurteilung an- hand von Bissflügelröntgenbildern, \ Prüfung auf das Vorhandensein von kli- nisch relevanten Kavitationen unter Zuhilfe- nahme einer feinen, gebogenen Sonde, da dies anhand des Röntgenbilds nicht valide möglich ist \ lokales Kariesprogressionsrisiko Therapieentscheid bei approximaler Karies Bei der Beurteilung einer approximalen ka- riösen Läsion stehen wir bei geschlossener Zahnreihe allerdings zusätzlich vor der Herausforderung, dass die Ausdehnung einer approximalen Karies nur durch eine qualitativ ausreichende Bissflügeltechnik zuverlässig beurteilt werden kann. Um die Qualität der Kariesbeurteilung auf Bissflügel- röntgenaufnahmen zu erhöhen, können individualisierbare Röntgenfilmhalter ver- wendet werden (Icon x-ray holder, DMG, Hamburg). Bei unzureichender Qualität von (Bissflügel-)Röntgenbildern ist die Interpre- tation der Kariesausdehnung sehr schwierig. Die Erfahrung zeigt, dass es nicht richtig ist, kleine Veränderungen zu überinterpre- tieren und in der Folge frühzeitig invasiv zu behandeln. Darüber hinaus ist die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Kariesprogression anhand des individuellen patientenbezo- genen Kariesrisikos sehr wichtig. Neben der starken Reduktion des Speichels stellt allerdings allenfalls die vergangene Karies- erfahrung einen einigermaßen zuverlässi- gen Prädiktor zur Abschätzung der Pro- gressionstendenz einer kariösen Läsion dar. Deshalb bedarf es für einen möglichst mi- nimal-intervenierenden Therapieentscheid idealerweise der Beobachtung der indivi- duellen kariösen Läsion über einen vertret- baren Zeitraum. Die genannten Befunde und Risikoerhebun- gen sollten bei der Auswahl einer mehr oder weniger invasiven Therapie eine Rolle spielen. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Therapieoptionen non-invasiv allein (zum Beispiel Zahnseide, Fluoride), mikro-invasiv (Kariesinfiltration) oder minimal-invasiv (Restauration) sollten partizipativ mit dem Patienten abgewogen werden und in eine für ihn möglichst vorteilhafte synoptische Therapieplanung münden [Meyer-Lückel et al., 2012]. Grundlagen der Infiltrationstechnik Bei der Kariesinfiltration wird die kariöse Zahnoberfläche mittels 15-prozentiger Salzsäure konditioniert und die Läsion ge- trocknet. Hiernach werden fließfähige Kunststoffe (Infiltranten) aufgetragen, die in die poröse Struktur des Läsionskörpers ei- ner Karies eindringen. Nach der Aushärtung versiegelt der Infiltrant die Karies gewisser- maßen intern, wodurch eine weitere Ka- riesprogression verhindert wird [Meyer-Lü- ckel, 2012a]. Dies ist prinzipiell auch an al- len anderen Zahnflächen durchführbar, al- lerdings sollte man sich immer die Frage stellen, ob es sich um eine aktive (progre- diente) und damit behandlungsbedürftige Karies handelt. Darüber hinaus kann durch Infiltration bei ästhetisch störenden „White- Spot-Läsionen“ ein Maskierungseffekt er- zielt werden. Indikation für approximale Kariesinfiltration Folgende Überlegungen führten zur Abgrenzung des Indikationsbereichs für die approximale Kariesinfiltration: \ Oberflächliche Läsionen mit einer röntge- nologischen Ausdehnung in die äußere Schmelzhälfte (E1) können bei guter Com- pliance oft auch durch rein non-invasive The- rapien (zum Beispiel vermehrter Zahnseiden- gebrauch, Fluoridierung) arretiert werden. \ Aufgrund der geringen Schmelzdicke ist es vertretbar, dass Läsionen an Milchzähnen auch schon bei ersten radiologischen Anzei- chen einer Karies infiltriert werden. \ Eine Kavitation kann nicht aufgefüllt wer- den mit dem Infiltranten. Während radiolo- gische D2-Läsionen (radiologische Ausdeh- nung ins mittlere Dentindrittel) meist kavi- tiert sind, ist dies bei D1 (Ausdehnung ins äußere Dentindrittel) nur zu circa 30 Pro- zent der Fall. \ Die Karies sollte nicht zu tief sein, damit diese gefahrlos weiter beobachtet werden kann. Dies ist bei einer D2-Läsion nicht mehr der Fall, selbst wenn diese unkavi- tiert wäre. \ Die Kariesinfiltration ist demnach indiziert für aktive, nicht kavitierte approximale Lä- sionen mit einer Ausdehnung bis maximal ins äußere Dentindrittel (D1) (Tabelle 1, Spalte 2). Mikroinvasive Kariestherapie Approximale Kariesinfiltration – Update nach zehn Jahren Hendrik Meyer-Lückel, Andreas Schult, Sebastian Paris Seit Einführung der Technik der Kariesinfiltration mit niedrigviskösen Kunststoffen sind zehn Jahre vergangen. Ursprünglich war die Methode primär zur Arretierung von Approximalkaries entwickelt worden, heutzutage werden aber auch die ästhetischen Vorteile aufgrund des Maskierungseffekts des Infiltranten geschätzt. 88 Zahnmedizin

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