Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 109, Nr. 20, 16.10.2019, (2302) oder die professionelle Applikation von Fluo- ridlacken. Alle Studien zeigen eine deutlich bessere Wirksamkeit der Kariesinfiltration in Bezug auf die Verhinderung einer Kariespro- gression im Vergleich zur Kontrolle (Tabelle 2). Die Studie mit der längsten mittleren Be- obachtungsdauer von sieben Jahren (unver- öffentlicht) zeigt eine Überlebensrate der in- filtrierten Läsionen von 91 Prozent und einen relativen Vorteil (ausgedrückt als relative Risi- koreduktion) gegenüber einer rein non-inva- siven Therapie von 80 Prozent. Dies bedeu- tet, dass es in acht von zehn Fällen vorteilhaft war, nicht nur non-invasiv vorzugehen, son- dern zusätzlich zu infiltrieren. Diese Werte liegen auf einem ähnlichen Niveau wie dieje- nigen zur Wirksamkeit der (Fissuren-)Versie- gelung [Ahovuo-Saloranta et al., 2013]. Auch eine auf einem Teil dieser Studien basierende Cochrane-Übersichtsarbeit be- stätigt, dass eine mikro-invasive Behandlung approximaler Läsionen signifikant effektiver ist als rein non-invasive Maßnahmen (zum Beispiel Fluoridlack) oder Anleitungen zu Mundhygieneverbesserungen (zum Beispiel vermehrte Zahnseidenanwendung) [Dorri et al., 2015]. Kosteneffektivität Basierend auf einigen publizierten klinischen Studien wurde die Wirksamkeit verschiede- ner Kariestherapien evaluiert, anschließend die langfristige Kosteneffektivität von non-, mikro- und minimal-invasiver Kariestherapie moduliert und für okklusale und approximale Läsionen verglichen. Auch wenn die initialen Kosten mikro-invasiver Therapien (wie der Kariesinfiltration und der okklusalen Versie- gelung) zunächst höher sind als diejenigen rein non-invasiver Maßnahmen, führt die bessere Wirksamkeit dieser Behandlungen langfristig dazu, restaurative Maßnahmen und damit noch höhere Kosten zu vermeiden [Schwendicke et al., 2014; Schwendicke et al., 2015]. Aus der Sicht der Autoren ist es bei einer als aktiv eingeschätzten, nicht kavitierten approximalen Karies wesentlich sinnvoller, zunächst zu infiltrieren und nur die wenigen Läsionen später restaurativ zu behandeln, bei denen die Infiltrationstherapie nicht erfolgreich war. Infiltration an anderen Zahnflächen Auch an anderen Glattflächen ist eine Infil- tration mit dem Ziel der Kariesarretierung zumindest bei Patienten mit hohem Karies- risiko überlegenswert. Wie eine Studie zur Infiltration fazialer kariöser Milchzahnfront- läsionen bei kleinen Kindern zeigt, konnten 92 Prozent der Läsionen über ein Jahr stabili- siert werden [Turska-Szybka, 2016]. Insofern demineralisierte Bereiche an eine Kavitation angrenzen, können diese Bereiche ebenso infiltriert werden; die Kavitation wird wie gewohnt mit Komposit versorgt. Zur Infiltration von unkavitierter Fissuren- karies an bleibenden Zähnen gibt es bisher nur einen experimentellen Ansatz. Hierbei konnte gezeigt werden, dass eine spezielle feine Bürste in Kombination mit einem abrasiveren Ätzgel eine höhere Infiltrations- tiefe im Vergleich zum herkömmlichen Vor- gehen ermöglichte [Lausch et al., 2015]. Fazit und Ausblick In den vergangenen zehn Jahren konnte die Indikation und Wirksamkeit der Karies- infiltration für die ursprünglich angedachte Anwendung an approximalen Flächen um- fassend bestätigt werden. Eine Infiltration Abbildungen 2a bis 2e: Der siebenjährige Junge wies an den linken Oberkiefermilchmolaren zwei kavitierte kariöse Läsionen auf, die mit Kompositfüllungen versorgt wurden (c, e). An 74 distal und 75 mesial waren klinisch unkavitierte kariöse Läsionen (Überprüfung mittels Sondierung), die röntgenologisch bis ins erste Dentindrittel extendiert waren, zu erkennen (a), die infiltriert wurden. Auf den röntgenologischen Kontrollbildern nach einem (c) sowie nach drei Jahren (e) sieht man keine Progression der Läsionen im Unterkiefer, auch wenn die veränderte Röntgen- projektion der Zähne die Interpretation erschwerte und man den Eindruck – insbesondere nach einem Jahr Beobachtung – bekommt (c), dass die Läsion an 74 distal vorangeschritten sein könnte, was sich allerdings nach drei Jahren (e) nicht bestätigte. Die klinischen Bilder bestätigten die Stabilität der infiltrierten kariösen Läsionen im Unterkiefer über drei Jahre (b, d). Fotos: Hendrik Meyer-Lückel Ausgangsröntgen 1 Jahr 3 Jahre a b d c e 92 Zahnmedizin

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