Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 109, Nr. 21, 1.11.2019, (2454) Die Zugangskontrolle – Gatekeeping von Gatekeeper, also Pförtner – zur fachärztli- chen Versorgung ist ein wichtiges Instru- ment in den Gesundheitssystemen vieler eu- ropäischer Länder. Sie gilt meist ausschließ- lich für gesetzlich Versicherte und nicht für Privatpatienten oder Selbstzahler. So arbeitet der Gatekeeper Der Pförtner dient zwei Hauptzielen: Ers- tens, das Wachstum der Gesundheitskosten zu begrenzen, indem die Inanspruchnahme von spezialisierten ambulanten und/oder Krankenhausdienstleistungen kontrolliert und unnötige Interventionen reduziert wer- den, und zweitens, mithilfe von Hausärzten im Zentrum die Koordinierung und Konti- nuität der Versorgung zu gewährleisten. Theoretisch haben Patienten in einem stren- gen Gatekeeping-System keinen direkten Zugang zur Sekundärversorgung, sondern benötigen immer eine Überweisung von ih- rem Hausarzt, um einen Facharzt aufsuchen oder stationär aufgenommen zu werden. In der Praxis umfassen die Regelungen je nach Erstattungspraxis des Gesundheitssystems jedoch unterschiedliche Merkmale und An- reize. Forscher der Technischen Universität Berlin unterscheiden in einer Arbeit diese vier Stufen: ! kein Gatekeeping: Patienten haben ohne Überweisung freien Zugang zur Sekundär- versorgung (Tschechien, Luxemburg). ! minimales Gatekeeping: Hausärzte über- weisen an Spezialisten. Oder finanzielle An- reize ermutigen Patienten, nicht direkt zum Facharzt zu gehen (Österreich, Belgien). ! Gatekeeping mit Ausnahmen: Hausärzte fungieren zwar als Pförtner, Patienten kön- nen aber auf bestimmte Spezialisten ohne Überweisung zugreifen. Dazu gehören etwa Gynäkologen, Augenärzte, Kinderärzte oder Psychiater (Dänemark, Frankreich). ! vollständiges Gatekeeping: Patienten benötigen immer eine Überweisung von ei- nem Hausarzt, um Zugang zur sekundären Versorgung zu bekommen (Niederlande). Vollständiges Gatekeeping findet man nur in den Niederlanden. In der Schweiz ist der Versicherungsstatus des Patienten ab: aus- schlaggebend: Hier bieten regionale Versor- gungsorganisationen (Health Maintenance Organization, kurz HMO) eine private Son- derform des Versicherungs- und Versor- gungsmodells nach US-amerikanischem Vorbild an. Im Zentrum stehen interdiszipli- näre Behandlungszentren, die zwingend die erste Anlaufstelle sind. Ausnahmen sind Notfälle, Erkrankungen außerhalb des geo- grafischen Zuständigkeitsbereichs der HMO sowie Gynäkologie und Augenheilkunde. Patientensteuerung Der Pförtner unterbindet Ärzte-Hopping Ist die Gesundheitskarte eine Flatrate für Facharztbesuche? Ist es notwendig, Patienten mithilfe von Sanktionen zu zügeln, wenn sie regelmäßig mehrere Ärzte konsultieren, um eine Diagnose zu erhalten? In einem vielzitierten Interview hat Dr. Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Mitnahme-Mentalität deutscher Patienten gerügt und Wahltarife mit und ohne freie Arztwahl ins Spiel gebracht. Eine Übersicht, wie die Patientensteuerung in unseren Nachbarländern funktioniert. Maximales Gatekeeping heißt: Ohne Hausarztbesuch kein Gang zum Facharzt. F to: AdobeStock_ Kadmy „Es kann dauerhaft kaum jedem Patien- ten sanktionsfrei gestattet bleiben, jeden Arzt jeder Fachrichtung beliebig oft auf- zusuchen“, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen im September in einem Interview. Die Gesundheitskarte funktioniere „wie eine Flatrate, und es gibt Patienten, die das gnadenlos ausnutzen“. Für diese Äu- ßerungen erntete Gassen scharfe Kritik von Kassen und Patientenvertretern. Die Einführung eines günstigeren GKV-Tarifs für Patienten, die sich verpflichten zu- nächst einen koordinierenden Arzt aufzu- suchen, sei keine gute Idee, erwiderte da- rauf der Sprecher des GKV-Spitzenver- bands Florian Lanz, und Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patien- tenschutz, befand, es gehe bei den hauptamtlichen Ärztefunktionären zu „wie im Tollhaus“. Gassens Vorstoß möge für maximale Patientenverunsicherung sorgen, sei aber „nur heiße Luft“. ! „Die eGK funktioniert wie eine Flatrate!“ KBV-Chef Dr. Andreas Gassen 108 Politik

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