Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 109, Nr. 21, 1.11.2019, (2426) wendung von Surrogatparametern, wie der Darstellung von Risikoindikatoren erfolgen. Eine prospektiv randomisierte Studie von Ghaeminia et al. widerspricht dieser Bewer- tung und berichtet über eine Fallzahl von 268 Patienten mit 320 Weisheitszähnen [Ghaeminia et al., 2015]. Die Fallzahl- berechnung dieser Arbeitsgruppe ist aber durch nicht plausible Annahmen von Basis- Schädigungshäufigkeiten (12 Prozent) nicht sinnvoll und durch die tatsächliche Häufig- keit von Nervschäden von 1,2 Prozent für die Kontrollgruppe innerhalb der Studien- populationen erkennbar fehlerhaft. Darüber hinaus stehen die Einschlusskriterien der Studie (Weisheitszähne mit erhöhtem Risiko der Nervschädigung gemäß Panorama- schichtaufnahme (PSA) im Widerspruch zu der Bewertung durch die Operateure, die die Entfernung nur in rund 20 Prozent als schwierig bewerteten. Außerdem werden nahezu gleiche Operationszeiten (DVT- Gruppe: 11,1 min versus PSA-Gruppe: 11,9 min) in beiden Studiengruppen ange- geben. Insofern ist nicht zu erkennen, dass die Informationen des DVT die operative Vorgehensweise beeinflusst hat. Zur perioperativen antibiotischen Prophylaxe Die Empfehlung zur perioperativen anti- biotischen Prophylaxe wurde von der ein- deutigen Befürwortung („sollte“) in eine offene Empfehlung („kann“) abgeschwächt. ! Empfehlung: Eine perioperative antibiotische Prophylaxe kann bei der Weisheitszahnentfernung erfolgen. ! Hintergrund: Die Diskussion um den Nutzen einer pro- phylaktischen antibiotischen Therapie be- gleitet jedes chirurgische Fach seit Anbe- ginn der antibiotischen Ära. Der Nutzen einer antibiotischen Prophylaxe im Rahmen der Weisheitszahnentfernung ist ebenfalls seit langer Zeit umstritten. Insgesamt belegt eine Mehrzahl methodisch hochwertiger systematischer Reviews den Nutzen der peri- operativen antibiotischen Therapie sowohl Indikationen zur Entfernung von Weisheitszähnen Eine Indikation besteht: ! bei akuten oder chronischen Infektionen (Dentitio difficilis) ! bei nicht restaurierfähigen, kariös zerstörten Zähnen oder nicht behandelbarer Pulpitis ! wenn sich bei Patienten mit unklarem Gesichtsschmerz Hinweise ergeben, dass der Weisheitszahn eine relevante Schmerzursache darstellt ! bei nicht behandelbaren periapikalen Veränderungen ! bei manifesten pathologischen Strukturen in Zusammenhang mit Zahnfollikeln (zum Beispiel Zyste, Tumor) oder dem Verdacht auf derartige Veränderungen ! im Zusammenhang mit der Behandlung von/und Begrenzung des Fortschreitens von parodontalen Erkrankungen ! bei Zähnen, die bei der kieferortho- pädischen und/oder rekonstruktiven Chirurgie stören ! bei Zähnen im Bruchspalt, die eine Frakturbehandlung erschweren ! bei der Verwendung des Zahns zur Transplantation Mögliche Indikation zur Entfernung von Weisheitszähnen Eine Indikation kann bestehen: ! zur Vereinfachung der kieferortho- pädischen Zahnbewegungen und/ oder zur Erleichterung der kieferortho- pädischen Retention oder Sicherung einer abgeschlossenen KFO-Behandlung. ! zur prophylaktische Zahnentfernung aus übergeordneten, der Lebensführung zuzuordnenden Gesichtspunkten (zum Beispiel fehlende Verfügbarkeit medizini- scher Versorgung etc.) ! bei Resorptionen an benachbarten Zähnen ! bei Pulpaexposition durch Zahnkaries ! Bei Zähnen, die bei einer geplanten prothetischen Versorgung stören, wenn beispielsweise ein sekundärer Durchbruch aufgrund der weiteren Atrophie des Alveolarkammes beziehungsweise aufgrund der Druckbelastung durch herausnehmbaren Zahnersatz zu erwarten steht ! wenn andere Maßnahmen unter Narkose vorgenommen werden und eine erneute Narkose zur Entfernung eines Weisheitszahns durchgeführt werden müsste ! wenn der elongierte/gekippte Weisheits- zahn eine Störung der dynamischen Okklusion darstellt ! wenn der Weisheitszahn die Ursache einer behandlungsbedürftigen Halitosis darstellt und andere, zahnerhaltende Therapiemaßnahmen nicht erfolgreich waren. Indikationen zum Belassen von Weisheitszähnen Eine Indikation zum Belassen von Weisheitszähnen besteht, wenn: ! eine kieferorthopädische Einordnung des Zahns geplant ist ! sie für eine prothetische Versorgung genutzt werden sollen Eine Indikation zum Belassen von Weisheitszähnen kann bestehen, wenn: ! eine spontane, regelrechte Einstellung der Weisheitszähne in die Zahnreihe zu erwarten ist ! bei tief impaktierten und verlagerten Zähnen ohne klinischen beziehungsweise radiologisch nachweisbaren pathologi- schen Befund ein hohes Risiko operativer Komplikationen besteht. Quelle: DGMKG, DGZMK: S2k-Leitlinie Operative Entfernung von Weisheitszähnen, 2019. AWMF-Registernummer: 007–003 Indikationen und mögliche Indikationen zum Entfernen und Belassen von Weisheitszähnen 80 Zahnmedizin
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