Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 109, Nr. 21, 1.11.2019, (2428) die Lebensspanne der Patienten, beispiels- weise bei einer späteren Therapie mit Anti- resorptiva, bei Immunsuppression, Diabetes, Dialyse, Tumortherapie und vielen mehr. In- sofern bleibt die Koronektomie weiter eine Behandlungsalternative mit engen Grenzen in der Indikationsstellung. ! Empfehlung: Als Alternative zur vollständigen Zahnent- fernung kann bei enger Lagebeziehung zum N. alveolaris inferior mit erwartbar hohem Schädigungsrisiko eine Koronektomie vor- genommen werden. ! Hintergrund: In den letzten Jahren ist die Methode der selektiven Kronenentfernung unter Belassen der Wurzel des Weisheitszahns neu aufge- griffen worden. Diesem Behandlungskonzept liegt die Überlegung zugrunde, bei hohem Risiko einer Verletzung des N. alveolaris infe- rior auf die vollständige Wurzelentfernung zu verzichten und allein die Krone und das Follikelgewebe des Weisheitszahns als Ur- sache der Perikoronitis zu beseitigen. Mitt- lerweile wurden einige Fallserien, mehrere vergleichende Kohortenstudien [Cilasun et al., 2011; Hatano et al., 2009; O´Riordan, 2004; Pogrel et al., 2004] und auch pro- spektiv randomisierte Studien [Leung and Cheung, 2009; Renton et al., 2005] vorge- stellt, die erwarten lassen, dass das Risiko der Schädigung des N. alveolaris inferior durch die Koronektomie vermindert wird. Aller- dings sind die langzeitigen Folgen des Belas- sens von Zahnanteilen, beispielsweise im Hinblick auf eine spätere Bestrahlung oder antiresorptive Behandlung oder auch eine therapeutische Immunsuppression bislang nur unzureichend untersucht. Über einen Nachbeobachtungszeitraum von bis zu fünf Jahren wurden allerdings bislang nur sehr geringe Sekundärkomplikationen beobach- tet [Leung und Cheung, 2016]. Mittlerweile wurden neben der klassischen Koronektomie auch Modifikationen, wie eine geplante zweizeitige Entfernung nach Teilentfernung der Zahnkrone [Landi et al., 2010], nach Teilentfernung des Knochens [Tolstunov et al., 2011] oder ergänzt durch kieferorthopädische Maßnahmen [Wang et al., 2012] oder Guided Bone Regeneration [Leung, 2016] beschrieben. Für die jeweili- gen Modifikationen liegen aber bislang nur Erkenntnisse aus kleinen Patienten-Kohorten vor. Zeitwahl bei der Zahnentfernung Neu aufgenommen wurde eine Empfeh- lung zur Zeitwahl bei der Zahnentfernung. Maßgeblich für diese Empfehlung waren vor allem die erheblich erhöhte perioperative Morbidität/Co-Morbidität und die schlech- tere parodontale Regeneration an benach- barten 12-Jahr-Molaren im höheren Lebens- alter. ! Empfehlung: Wenn eine Indikation zur Entfernung des Weisheitszahns besteht oder absehbar ist und der Zeitpunkt der Zahnentfernung geplant werden kann, dann sollte diese Weisheits- zahnentfernung im Laufe der Entwicklung der Zahnwurzel, möglichst aber vor dem 25. Lebensjahr empfohlen werden. ! Hintergrund: Bei der Entscheidung über den Zeitpunkt der operativen Entfernung sind neben der Möglichkeit einer regulären Einstellung in die Zahnreihe [Kruger et al., 2001] vor allem das Entwicklungsstadium der Zahnwurzel und deren aktuelle und erwartbare Lage- beziehung zum N. alveolaris inferior, die Gefahr der Resorption an Nachbarzähnen [Wang et al., 2017], das altersabhängige lokale Operationsrisiko [Chuang et al., 2007; Baensch et al., 2017] und die alters- abhängige parodontale Regeneration am benachbarten 12-Jahr-Molaren [Kugelberg et al., 1991] zu berücksichtigen. Als Informationsquelle steht neben der Langfassung der Leitlinie auch ein aus- führlicher Leitlinienreport zur Verfügung. Die Dokumente können als Download- bei der Bundeszahnärztekammer, der DGZMK und der AWMF abgerufen werden. Die nächste Überarbeitung der Leitlinie ist ab 2024 vorgesehen. Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Universitätsklinikum Knappschaftskranken- haus Bochum In der Schornau 23–25 44892 Bochum martin.kunkel@rub.de Tel.: 0049–234–299 3501 ! Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) ! Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) ! Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) ! Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie (AGKi) ! Berufsverband Deutscher Oralchirurgen (BDO) ! Bundesarbeitsgemeinschaft PatientInnenstellen (BAGP) ! Bundeszahnärztekammer (BZÄK) ! Interdisziplinärer Arbeitskreis Oralpathologie und Oralmedizin (AKOPOM) ! Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) Autor der Leitlinie: Prof. Dr. Dr. M. Kunkel (DGMKG) Ko-Autoren: Prof. Dr. U. Fritz (DGKFO), Prof. Dr. Dr. H. Pistner (DGMKG), Prof. Dr. Dr. H. Terheyden (AGKi), Prof. Dr. Dr. U. Müller-Richter (AKOPOM), PD Dr. F. P. Strietzel (BDO), G.Bornes (BAGP), Dr. M. Frank (BZÄK), Dr. J. Beck (KZBV), Prof. Dr. Dr. R. Werkmeister (Leitliniengruppe „Dentoalveoläre Chirurgie“ der DGMKG), Prof. Dr. Dr. D. Weingart (Leitliniengruppe „Dentoalveoläre Chirurgie“ der DGMKG) Beteiligte Fachgesellschaften und Körperschaften Foto: privat Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 82 Zahnmedizin

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