Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 109, Nr. 21, 1.11.2019, (2436) Studieren in der DDR „Wir haben aus Gummihandschuhen Kof- ferdam hergestellt!“ Die zahnärztliche Ausbildung an den Hoch- schulen war solide. Es wurde Wert darauf gelegt, den Studenten so viel Wissen und praktische Erfahrung zu vermitteln, dass die- se in der Lage waren, nach ihrem Abschluss eine Sprechstunde abhalten zu können. Wir mussten eine bestimmte Anzahl an oralen Operationen durchführen, zahlreiche Zähne extrahieren, Lokalanästhesien – selbstver- ständlich auch Leitungsanästhesien – set- zen, Füllungen legen, Kinder behandeln und Zahnersatz herstellen. Dabei wurde auch an eine zahntechnische Grundlagen- ausbildung gedacht, das heißt, wir mussten unsere verwendeten Kronen und Totalpro- thesen selbst anfertigen. Während des Studiums spürten wir die all- gemeine Materialknappheit in allen Berei- chen. Wir haben aus Gummihandschuhen Kofferdam hergestellt. Einmalhandschuhe wurde abgewaschen, getrocknet und wie- derverwendet, weil einfach zu wenige da- von vorhanden waren. Das Anästhesiemittel war knapp, die Abformmaterialien ebenso, Frasaco-Kronen oder andere Hilfsmittel gab es nur auf Zuteilung. Am schwierigsten war der Bedarf an Edelmetall. Goldlot oder an- dere Materialien erhielten wir nur auf Zutei- lung in einer extra Ausgabestelle. Die Be- handlung von Patienten war unproblema- tisch. Viele Patienten kamen gern in den Studentenkurs, da sichergestellt war, dass sie durch die entsprechenden Kontrollen korrekt behandelt wurden. Zum Teil war die Versorgung an der Hochschule auch besser, weil dort teilweise hochwertiger Zahnersatz wie Jacketkronen hergestellt werden konn- te, welche außerhalb der Hochschule nur sehr schwer zugänglich waren. Das Zeitma- nagement war kein Problem – die Patienten wurden von den staatlichen Betrieben für diese Zeit freigestellt.“ Claudia Espig „Die Internatsmiete betrug 10 Mark!“ „Das Studium in der DDR war straff organi- siert, Regelstudienzeit war normal, Abbrü- che gab es selten. Medizinisch war das Stu- dium sehr breit angelegt. Eine Vorausset- zung, um ein Zahnmedizinstudium begin- nen zu können, war die dreijährige Ver- pflichtung zum Einsatz nach Bedarf des Staates. Eine weitere Bedingung war die ständige Teilnahme Marxismus-Leninismus- Vorlesungen und Seminaren. Eine Unterkunft in einem Internat war abge- sichert. Ab 1981 erhielt jeder Student 200 Mark Stipendium. Die Internatsmiete be- trug 10 Mark pro Monat und Person. Wir er- hielten zusätzlich 50 Mark für unser Kind. So hatten wir 450 Mark pro Monat zur Verfü- gung. Auf Bahnfahrten hatten Studenten 75 Prozent Ermäßigung.“ Michael Kirsten „Für internationale Literatur brauchten wir einen „Giftschein“ für die Deutsche Bücherei.“ „Ich habe von 1985 bis 1990 in Leipzig stu- diert. Ein Studienplatz war damals schon sehr begehrt. Die medizinischen Grundla- genfächer waren perfekt auf die Zahnmedi- zin angepasst und damit mehr fokussiert als heute. Anatomie und Histologie wurden hervorragend vermittelt. Die Anforderun- gen waren hoch, aber der Spaß kam nicht zu kurz. Engagement für den Beruf wurde immer unterstützt, so dass ich in der Betriebspolikli- nik der Uni schon als Student in den Semes- terferien arbeiten konnte. 30 Jahre Mauerfall „Als Sicherheit hatten wir nur unseren Trabant“ Vor 30 Jahren öffneten sich nach fast 40-jähriger Trennung die Grenzen zwischen den beiden deutschen Staaten. Für knapp 16,7 Millionen Einwohner der DDR zerfiel ihr gewohntes Staatsgefüge. Das macht 16,7 Millionen Geschichten über Trennung, Mangel, Ungewissheit und Aufbruchsstimmung. Stellvertretend erzählen zwei Zahnärzte und eine Zahnärztin, wie sie diese Zeit erlebt haben. Berlin in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989: Öffnung der DDR-Grenze nach Westen. Begrüßungsszene am Grenzübergang Sonnenallee um circa 23 Uhr. Foto: Picture Alliance/dpa_Klaus Küst 90 Gesellschaft

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