Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 109, Nr. 21, 1.11.2019, (2438) Schwangerschaft ein gesonderter Plan er- stellt, mit dem ich Prüfungen vorziehen oder nach der Geburt absolvieren konnte; die zahntechnischen Kurse erledigte ich während der Semesterpause. Zeitweise saß ich im Kursraum, arbeitete an meinen prothetischen Arbeiten und mein Mann brachte mir unseren Sohn zum Stillen – dann ging es weiter. Die Kurse im vierten und fünften Studienjahr waren so aufge- baut, dass man es einfach zu zweit besser organisieren konnte. (Kind krank, Kind aus Krippe holen etc.) Nach einem halben Jahr aber waren wir bei- de mit den Nerven am Ende: Unser Sohn war chronisch krank und damit Krippen-un- tauglich. Da ich eine feste Plangröße im staatlichen Gesundheitswesen war, konnte ich entgegen meinen Vorstellungen das Stu- dium nicht unterbrechen oder gar beenden. Stattdessen wurde uns eine private Tages- mutter vermittelt – die Kosten übernahm die Medizinische Akademie. Bei dieser Frau fühlte sich unser Sohn sehr wohl, und wir konnten unser Studium mit Kleinkind frist- gemäß beenden. Das bedeutete, wir lebten zu dritt mit unserem kleinen Sohn in einem studentischen Haushalt, wir schrieben unse- re Diplom-Doppelarbeit (ein Thema für mei- nen Mann und mich) und absolvierten un- sere Staatsexamina fristgemäß.“ Claudia Espig Widerstand „Ich wurde verhaftet und beim Ministerium für Staatssicherheit verhört“ „Mit 21 Jahren war ich reifer und wollte die täglichen politischen Demütigungen nicht mehr hinnehmen. Ich begann der politi- schen Linie der SED in der Ausbildung im- mer mehr zu widersprechen. Zuerst nur in den Seminaren und später dann zuneh- mend öffentlich. Studenten galten in der DDR als angepasst und duldsam. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich mit meinem Be- rufswunsch nicht mehr erpressen lassen wollte und begann mehr und mehr politi- schen Widerstand zu organisieren. In einer Gruppe mit Gleichgesinnten lernten wir wieder den aufrechten Gang, organisierten Demonstrationen, Diskussionsveranstaltun- gen, verteilten Flugblätter und versuchten die Grundlagen für eine Demokratie zu schaffen. Die evangelische Kirche gab uns die ersten Möglichkeiten für öffentliche Auf- tritte, so dass mehr Menschen auf uns auf- merksam wurden und mitarbeiten wollten. 1989 verließen wir die kirchlichen Räume und gründeten eine erste Bürgerrechtsbe- wegung mit demNEUEN FORUM. Während dieser Zeit gab es unzählige Versuche sei- tens der Hochschullehrer mich zu diszipli- nieren und auch zu exmatrikulieren. Es gab Verhaftungen und Verhöre beim Ministeri- um für Staatssicherheit, der Polizei und beim Studiendekan. Durch die Unterstüt- zung meiner Frau, das solidarische Auftreten von vielen Leipziger Freunden und von Poli- tikern aus Ländern aus Ost und West wur- den wir im Januar 1989 aus dem Gefängnis entlassen. Honecker wies damals Mielke an, dass alle Verfahren eingestellt werden muss- ten. So blieb mir und meiner Familie eine langjährige Haftstrafe erspart, ich konnte weiter studieren und am Ende sogar mein Staatsexamen erfolgreich und fristgemäß absolvieren. Das hat Einigen Mut gegeben, auch aufzustehen und nicht alles duldsam hinzunehmen.“ Michael Arnold „Ein Student wurde im zweiten Jahr aus dem Seminar gerufen und blieb dann ver- schwunden. Nach der Wende erfuhren wir, dass er in Stasi-Haft geraten war.“ Michael Kirsten Die Wendezeit „Das sogenannte Kollektiv zerfiel.“ „Wir waren im Beruf bereits etabliert – seit 1986 arbeiteten wir als Zahnärzte in einer Kreispoliklinik. Wir hatten eine der damals begehrten Neubauwohnungen. In den Jah- ren vor der Wende war die Stagnation spür- bar. Besonders jüngere Kollegen waren un- zufrieden. Die Anfangsgehälter waren nicht mehr zeitgemäß und lagen unter denen des mittleren medizinischen Personals. Die Ab- wanderung in die BRD war für einzelne Kol- legen auch ein Thema. Anfangs machten wir uns schon Sorgen. Einmal gab es einen Streik in der Belegschaft. Ab Jahresmitte Dipl.-Stom. Michael Arnold, rechts mit seiner Frau Fotos: privat Dipl.-Stom. Michael Kirsten, rechts mit seiner Frau vor der gemeinsamen Praxis Fotos: privat 92 Gesellschaft

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