Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22
zm 109, Nr. 22, 16.11.2019, (2492) Pro: Alle Fehler habe ich auch gemacht Ihre kleine Kolumne in den zm lese ich stets mit großem Interesse, gerade weil Sie auf Probleme aufmerksam machen, die besonders meine Genera- tion von Praxiseigentümern be- treffen. Leider bin ich erst jetzt zum Schreiben gekommen. Da- zu bewegt hat mich das Wort „vergümmeln“ – das finde ich genial! Genau wie Sie es in der zm 20 beschreiben, vergümmeln die Praxen. Ich habe es selber in 2011/2012 erfahren, als ich meine Praxis verkaufen wollte, aber überhaupt nicht den Preis erreichen konnte, den ich mir vorgestellt habe. Viele „Kleinig- keiten“, die die Praxis weniger wertvoll machten, wurden von den jungen Menschen ange- sprochen. Ich habe zugehört, den Verkaufsprozess abgebrochen und entschieden, dass ich ein paar Jahre weitermache, diese Jahre nutze, um meiner Praxis ein Upgrade zu verpassen. 2015 habe ich meine Master- arbeit Soziologie an der Uni Magdeburg verteidigt, wo ich genau diese Prozesse beschreibe. Titel: „Integration von mobilen Spezialisten in der ‚kleinen‘ Zahnarztpraxis. Zur Möglichkeit mittels integrierter zahnärztlicher Spezialisten die eigene Praxis aufzuwerten, ihre Wirtschaftlich- keit zu verbessern und sich an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen.“ Auch 2015 wurde ich ange- sprochen, ob ich verkaufen würde. Ich habe dann in 2017 die Praxis an einen mir damals völlig unbekannten Kollegen abgegeben. Zudem habe ich einen sehr viel höheren Preis als 2012 verlangt. Ich arbeite heute noch im dritten Jahr in Teilzeit in derselben Praxis! Meine Erfah- rungen gebe ich auch an Kolle- gen weiter: www.alexandersen- consulting.com . ZÄ Doris Alexandersen, MA, Markgröningen Kontra: Vergümmeln heißt doch günstiger verkaufen zu können! Herr Henrici denkt leider nicht zu Ende. Er empfiehlt, die Praxis am Ende für Neu- einsteiger attraktiv zu machen, sie also quasi auf den Zustand einer Neugründung zu bringen und dann mit „warmer Hand“ (was immer das bedeuten soll) zu übergeben. Wir stellen uns also vor, alle abgebenden Kolle- gen befolgen diese Weisheit. Trotzdem wird ein großer Teil dieser Praxen keine Nach- folger finden, da gar nicht genug Käufer zur Verfügung stehen, wie Herr Henrici selbst schreibt. Die Kollegen ohne Käufer haben dann das gute Gefühl, noch mal ordentlich Umsatz im Dentaldepot gemacht zu haben, wenn sie ihre aufgehübschte Praxis dann ab- schließen dürfen. Sinnvoller wäre es doch wohl, keiner der Kollegen würde den Rat befolgen, dann könnten die jungen Kollegen die Praxen viel günstiger erwerben und sie dann ent- sprechend ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen gestalten. Wenn sie dies dann auch noch nach und nach, je nach Geld- eingang, durchführen würden, könnten sie auch noch Finanzierungszinsen sparen. Aber da würde ja am Ende der Umsatz für die Praxisflüsterer, Banken und Depots fehlen. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Ich werde wohl eher „vergümmeln“ (was soll das bedeuten?) lassen, denn dann kann ich viel günstiger verkaufen. Auch der Verkaufs- preis kann ein Kriterium für den Nachfolger sein. Falls ich keinen Nachfolger finden sollte, muss ich mich dann aber auch nicht über Fehlinvestitionen ärgern. Ähnlich übrigens läuft es mit der Werbung, beispielsweise bei Jameda. Stellen wir uns vor, jede Praxis zahlt für ein Premiumprofil. Dann ist der Werbeeffekt gleich null für die Einzelpraxis, denn insgesamt ist der Behand- lungsbedarf in der Bevölkerung ja konstant. Aber jede Praxis zahlt dann ca. 1.000 Euro im Jahr an Jameda. Super Sache für jameda, cleverer und billiger für uns Zahnärzte wäre es, wenn wir alle unsere Premiumprofile kündigen würden. Dr. Jürgen Kärcher, Heidesheim Liebe Leserinnen und Leser, zunächst einmal freut es mich, dass mich so viele (kritische) Leserbriefe zu diesem sensiblen Thema erreicht haben. Mir war bewusst, dass das Wort „Gümmelpraxis“ polarisiert – ich habe diesen Begriff dennoch aufgenommen, weil ich diesen zunehmend inflationär in meiner Zusammenarbeit mit jun- gen Existenzgründern gehört habe. Mit meinen Ausführungen habe ich meine täglichen Erfah- rungen widergegeben, die mir in und mit Praxen, in Telefo- naten, Kongressen oder Seminartouren begegnen. Ein Anlie- gen ist es mir, das Thema Praxisabgabe zu sensibilisieren und auf Missstände aufmerksam zu machen. Ziel: Vorbeugung, Bewusstsein schaffen, handeln. Dabei ist mit Investitionen definitiv nicht gemeint, zwei Jahre vor der Abgabe in einen Behandlungsstuhl zu investieren, sondern – wie in vielen Leserbriefen genannt – in die Wertsteigerung des Goodwills. Eben durch ein funktionierendes Forderungsmanagement, in funktionierendes (zufriedenes) Personal etc. Natürlich soll- ten auch erhaltende Investitionen in die Substanz getätigt werden, etwa in die IT. Es zahlt sich tatsächlich aus, manch- mal auch nur dahingehend, dass eine Praxis dadurch über- haupt erst abgebbar wird. Es freut mich, eine solche Debatte und gegebenenfalls auch ein Nachdenken angestoßen zu haben. In diesem Sinne, Ihr Praxisflüsterer, Christian Henrici antwortet: 10 Leserforum
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