Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 109, Nr. 22, 16.11.2019, (2498) Braindrain – so nennt sich der Ausverkauf von Wissen, wenn gut ausgebildete Fachkräfte ihr Land verlassen, um sich anderswo auf der Welt eine bessere Existenz aufzubauen. \ So warben die USA unter Präsident George W. Bush gezielt Ärzte und Kranken- schwestern aus Kuba ab, Havanna wehrte sich gegen den Braindrain im eigenen Land. Mit Präsident Barack Obama wurde das Pro- gramm beendet. \ Aus den Maghreb-Staaten Marokko, Al- gerien und Tunesien machen sich immer mehr gut ausgebildete Fachkräfte auf den Weg nach Europa, manche werden gezielt von französischen Vermittleragenturen ab- geworben. Algerische Ärzte arbeiten in Europa und in den Golfstaaten. \ Länder südlich der Sahara beklagen hohe finanzielle Verluste, die sie in die Ausbildung von Ärzten investiert haben, die ihren Heimat- ländern den Rücken kehren. Die Universität Adelaide in Australien wies in einer breit angelegten Studie 2015 nach, dass ein großer Teil der Zahnärzte in Down Under aus Immigranten besteht. Die meisten von ihnen kommen aus Südost- asien oder Afrika. Viele dieser Länder sind mit sozio-ökonomischen und politischen Problemen konfrontiert, deswegen suchen die auswandernden Zahnärzte nach neuen Perspektiven. Ärztemigration steigt um 60 Prozent Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass in den OECD-Ländern die Migration von Ärzten und Gesundheits- berufen innerhalb der vergangenen zehn Jahre um rund 60 Prozent gestiegen ist. Negativ betroffen sind vor allem wirtschaftlich schwache Länder mit niedrigerem Einkom- men und ohnehin schon fragilen Gesund- heitssystemen. Oft locken im Ausland neben einer besseren Bezahlung und Karriere- chancen auch mehr Rechtsstaatlichkeit und umfassende Fortbildungsmöglichkeiten. Ein Ranking listet die mobilsten Berufe in der EU: Ärzte, Krankenpfleger, Lehrer, Physiotherapeuten – und Zahnärzte. Die EU-Migrationsstatistik* gibt auch Auskunft darüber, wo migrierende Fachkräfte ihre Qualifikation erworben haben und in welchen Ländern diese anerkannt wird. Zwischen 2010 und 2019 wurden beispielsweise 19 Prozent der anerkannten Abschlüsse migrie- render Zahnärzte aus Rumänien, 18 Prozent aus Spanien, knapp 10 Prozent aus Deutsch- land, fast 7 Prozent aus Portugal, 6 Prozent aus Polen und gut 40 Prozent aus anderen Ländern verzeichnet. Die Top Five der Län- der, die Abschlüsse anerkannt haben, waren im gleichen Zeitraum das Vereinigte König- reich (20 Prozent), Italien (17 Prozent), Bel- gien (12 Prozent), Schweiz (11 Prozent), Niederlande (10 Prozent) und alle weiteren Länder (30 Prozent). Doch wer als Fachkraft aus der eigenen wirt- schaftlich schwachen Heimat in wohlhaben- dere Länder zieht, hinterlässt zu Hause eine Lücke. Auch in der Zahnmedizin kann man beobachten, dass in großem Maße Wissen abgesaugt wird. Deshalb hat die Weltzahn- ärzteorganisation FDI auf ihrer diesjährigen Generalversammlung im September in San Francisco in einem aktualisierten Positions- papier mehr Transparenz gefordert, mehr Fairness, die Einhaltung ethischer Grundsätze und die nachhaltige Förderung von Ge- sundheitssystemen in Entwicklungsländern. Die FDI hofft, mehr Einfluss auf die Mei- nungsmacher im Gesundheitswesen und zahnärztliche Organisationen zu gewinnen. Wichtig sei, dasss die betroffenen Länder Braindrain bei Gesundheitsberufen Das Wissen wird regelrecht abgesaugt Die Migration von Fachkräften im Gesundheitswesen ist ein Problem. Weltweit. Die Einwandererstaaten profitieren: Sie gewinnen Manpower und Expertise. Die Abwandererstaaten bluten aus: Sie kämpfen mit der Versorgung ihrer Bevölke- rung und Fachkräftemangel. Auch im zahnärztlichen Bereich: Der Zahnarztberuf zählt EU-weit zu den mobilsten Berufen. Foto: AdobeStock/leremy 16 Politik

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