Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 109, Nr. 22, 16.11.2019, (2502) Ungeachtet dessen findet die Migration von Fachkräften in Europa, insbesondere im Ge- sundheitsbereich, weiter in breitemMaße statt: \ Rumänische und bulgarische Ärzte, deren Approbation mit Studienabschluss inner- halb der EU anerkannt sind, kommen nach Deutschland und arbeiten in Kliniken oder in ländlichen Regionen, um den Ärztemangel aufzufangen. Die hoch qualifizierten Fach- kräfte wurden im Heimatland ausgebildet und fehlen jetzt dort in der medizinischen Versorgung. \ Auch die Schweiz, Belgien oder Frankreich sind beliebte Auswanderungsländer für ost- europäische, vor allem rumänische Ärzte. \ Deutsche Ärzte wandern aus, etwa in die Schweiz. Und Mitte der 2000er-Jahre er- folgte eine große Abwanderungswelle nach Norwegen, wo die Mediziner sich bessere Arbeitsbedingungen erhofften. \ Inzwischen interessieren sich auch an- gehende deutsche Zahnmediziner für ein Studium in Rumänien, Bulgarien oder Un- garn. Ob sie aber nach dem Abschluss dort bleiben, ist fraglich. Wenn sie das Land ver- lassen, würden sie freilich zum Fachkräfte- mangel dort beitragen. \ Auch aus Nicht- oder Noch-nicht-EU- Ländern wie Kosovo oder Albanien kommen Ärzte nach Westeuropa. \ Gerade in jüngster Zeit rückte in Deutschland immer wieder der Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal in den Fokus. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn star- tete medienwirksame Initiativen im Kosovo, in Mexiko und auf den Philippinen, um ge- eignete Fachkräfte anzuwerben. Für Deutschland gilt: In der neuen Zahnärzt- lichen Approbationsordnung (ZapprO) ist jetzt geregelt, das deutschlandweit einheitliche Vorgaben zur Gleichwertigkeit eingeführt werden sollen. Zahnärzte, die nach Deutschland kommen, können also hierzu- lande arbeiten, wenn sie ihre Gleichwertig- keitsprüfung bestanden haben und die geforderten deutschen Sprachkenntnisse aufweisen. pr * Link zur aktuellen Migrationsstatistik: https://ec.europa.eu/growth/tools- databases/regprof/index.cfm?action=stat_ ranking&b_services=false9 ** Bereits 2010 hatte die WHO einen Verhaltenskodex verabschiedet: Mit dem „WHO Global Code of Practice on the International Recruitment of Health Personnel“ verpflichteten sich die Mitgliedsländer auf freiwilliger Basis, bei der Anwerbung von Gesundheitsfachkräften ethische Prinzipien zu beachten und kein Personal aus wirtschaft- lich schwachen Regionen oder Entwicklungs- ländern abzuziehen. Auch die deutsche Bundesregierung bekennt sich zu dem Code of Practice, er bildet zudem die Basis des FDI-Positionspapiers. Wie beurteilt die Bundeszahnärzte- kammer das Problem der welt- weiten Migration von Fachkräften und Zahnärzten und was bedeutet es für die Herkunfts- und für die Gastländer? Dr. Peter Engel: Die weltweite Migration von Fachkräften ist zuerst nichts Negatives. Sie ermöglicht einen Erfahrungsaustausch zwischen Kolleginnen und Kollegen, eröffnet gute Ausbildungs- und Weiterbildungs- möglichkeiten und trägt dazu bei, Forschung innovativ zu gestalten und einen globalen Wissenstransfer zu ermöglichen. Schwierig wird es allerdings, wenn in Län- dern ein anhaltender Fachkräftemangel entsteht, da viele der Zahnärzte dauerhaft in andere Länder emigrieren und diese dann dem lokalen Gesundheitssystem fehlen. Für die Herkunftsländer bedeutet dies langfristig eine verschlechterte Versor- gungslage. Die Qualität der Patienten- betreuung ist schwierig aufrechtzuerhalten und die Aus- und Weiterbildung gestaltet sich kritisch aufgrund der abgewanderten Fachkräfte. Die Gastländer stehen vor der Herausforderung, die Fachkräfte zu integrieren, sowohl auf beruflicher wie auf gesellschaftlicher Ebene. Inwieweit spielen ethische Aspekte eine Rolle? Ethik spielt hier eine große Rolle. Dies zeigt auch die in diesem Jahr verabschiedete politische Stellungnahme der FDI zu die- sem Thema. Sowohl die Herkunfts- wie die Gastländer sind aufgefordert, sich an die Menschenrechte und den Verhaltens- kodex für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften der Weltgesund- heitsorganisation zu halten. So sollen die Herkunftsländer Maßnahmen ergreifen, die einen Verbleib der Fachkräfte in diesen Ländern fördert. Dies umschließt eine angemessene Bezahlung, Investitionen in medizinische Infrastrukturen und das An- gebot von qualitativ hochwertigen Weiter- bildungsmöglichkeiten. Die Gastländer sind angehalten, die ausländischen Fachkräfte nicht zu diskriminieren und sie ihrer Ausbil- dung nach adäquat einzusetzen. Welche Probleme ergeben sich für die Versorgung aus Sicht der EU? Die zunehmende Deregulierung und Vereinfachung von Berufszugängen erleichtert die Mobilität von Fachkräften innerhalb der europäischen Länder. Das bedeutet auf der einen Seite zwar einen Gewinn für den fachlichen Austausch und das inter- kulturelle Lernen. Andererseits werden damit aber auch einseitige Wanderungs- bewegungen von Fachkräften von zumeist Ost- und Südosteuropa nach Westeuropa befeuert. Es muss die Frage gestellt werden, ob dies in unser aller Interesse sein kann, wenn in den Herkunftsländern ein dauerhafter Braindrain entsteht und dadurch die lokale (zahn-)medizinische Versorgung gefährdet wird. Es muss überlegt werden, ob nicht höhere Berufszugangsregelungen zielfüh- render für die Sicherstellung von Versor- gungsqualität und den Patientenschutz in von Abwanderung betroffenen Ländern wären. Die Fragen stellte Gabi Prchala. ? ? ? „Ethik spielt hier eine große Rolle!“ Interview mit BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel Foto: BZÄK 20 Politik

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