Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 109, Nr. 22, 16.11.2019, (2510) Eines Tages assistiert die Zahnmedizinische Fachangestellte M. bei P. Sie ist bereits seit vielen Jahren in der Praxis und üblicherweise als „Chefhelferin“ bei Dr. B. am Stuhl tätig. Beim zweiten einbestellten Patienten führt P. eine Wurzelkanalbehandlung am Zahn 16 durch. Etwas unter Zeitdruck verzichtet er dabei auf den Einsatz des Kofferdams. M., die weiß, dass Dr. B. ausdrücklich den Ein- satz des Kofferdams fordert, fragt P. leise, ohne dass der Patient es mitbekommt, ob sie den Kofferdam vorbereiten soll. Als der Patient mit einer zweiten Helferin zur Nadelmessaufnahme beim Röntgen ist, er- klärt P. ihr daraufhin etwas schroff, dass er den Kofferdam nur selten brauche und ihr schon sage, wenn dies der Fall ist. Das sei seine Entscheidung als Zahnarzt und er lasse sich nicht von einer Helferin in die Behandlung hereinreden. M. weist ihn wohlmeinend daraufhin, dass für Dr. B. die Verwendung des Kofferdams eine hohe Priorität hat. P. zieht sich erneut auf seine ärztliche Entscheidung zurück und unter- sagt M., seine Art der Behandlung Dr. B. mitzuteilen. Er droht ihr unverhohlen mit Konsequenzen und damit, dass sie mit ihm „noch eine Menge Spaß haben“ werde, falls sie sich seiner Anordnung widersetzt und „petzt“. Wie ist das Verhalten von P. aus ethischer Sicht im Hinblick auf den Praxisinhaber Die klinisch-ethische Falldiskussion Zwischen Loyalität und Standesrecht Zahnarzt P. ist seit einem halben Jahr in einer größeren Großstadtpraxis angestellt. Inhaber Dr. B. legt Wert auf eine hoch- wertige zahnärztliche Versorgung aller Patienten – das hatte er P. bereits im Vorstellungsgespräch als Prämisse für eine Zusammenarbeit gesagt. Für ihn gehört dazu die konsequente Anwendung des Kofferdams bei Wurzelkanalbehandlungen. P. begrüßt die Ansichten seines Chefs und lässt im Gespräch keinen Zweifel daran, dass auch er selbst den Kofferdam bei endodontischen Therapien selbstverständlich immer für unabdingbar hält. Doch die Praxis sieht anders aus. Experten präsentieren Fälle mit ethischem Klärungsbedarf. Foto: AdobeStock/anatoliy_gleb

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