Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 109, Nr. 22, 16.11.2019, (2512) Der Arbeitskreis verfolgt die Ziele: \ das Thema „Ethik in der Zahnmedizin“ in Wissenschaft, Forschung und Lehre zu etablieren, \ das ethische Problembewusstsein der Zahnärzteschaft zu schärfen und \ die theoretischen und anwendungs- bezogenen Kenntnisse zur Bewältigung und Lösung von ethischen Konflikt- und Dilemmasituationen zu vermitteln. www.ak-ethik.de Arbeitskreis Ethik ärztlichen Berufsausübung Weisungen von Zahnärzten unterworfen sein dürfen. Das beantwortet uns ganz eindeutig unsere Berufsordnung, die in den Geltungs- bereichen der einzelnen Bundesländer geringfügig variieren kann. So heißt es im § 2 Berufspflichten der Musterberufs- ordnung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK): „(1) Der Zahnarzt ist zum Dienst an der Gesundheit der einzelnen Menschen und der Allgemeinheit berufen. Der zahn- ärztliche Beruf ist seiner Natur nach ein freier Beruf; der aufgrund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigen- verantwortlich und fachlich unabhängig in Diagnose- und Therapiefreiheit ausgeübt wird. (2) Der zahnärztliche Beruf ist mit besonderen Berufspflichten verbunden. Ins- besondere ist der Zahnarzt verpflichtet, a) seinen Beruf gewissenhaft und nach den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit auszuüben, b) die Regeln der zahnmedizinischen Wissenschaft zu beachten, c) dem im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen, d) sein Wissen und Können in den Dienst der Vorsorge, der Erhaltung und der Wiederherstellung der Gesundheit zu stellen, e) das Selbstbestim- mungsrecht seiner Patienten zu achten“ [MBO, 2017]. Insoweit steht das Berufsrecht auch im Einklang mit den vier Grundsätzen der Prin- zipienethik nach Beauchamp und Childress ( Respekt vor der Patientenautonomie, Wohltuns- und Nichtschadensgebot, Ge- rechtigkeit ), die eine Orientierung auch in ethisch dilemmahaften Fällen ermöglichen und einen Maßstab für ein verantwortliches ethisches Urteil bilden können. Diese Regeln können aber nicht absolut gelten, sondern jedes Prinzip sollte trotz seiner grundsätz- lichen Gleichrangigkeit entweder spezifiziert oder gegeneinander abgewogen werden [Groß, 2012]. Unsere Berufsordnung möchte mit ihren allgemeinen Grundsätzen sicher- stellen, dass der Zahnarzt in seiner Therapie- entscheidung vollkommen frei und unab- hängig bleibt sowie letzten Endes auch un- verführbar und unkorrumpierbar. Es ist diese grundsätzliche Unbestechlichkeit des zahn- ärztlichen Berufs, die ihn überhaupt zu einem Arztberuf macht und damit zu einer Profession; das heißt, dass der Zahnarzt etwas verspricht und gelobt, und zwar in Form eines persönlichen Ehrenwortes, dem einzelnen Patienten gegenüber, aber auch in Form eines öffentlichen Versprechens, der Gesellschaft gegenüber. Diese Versicherung lautet, dass der Zahnarzt als Arzt das Wohl des Patienten an die oberste Stelle setzt [Maio, 2017]. Hierzu stellt er problemlösend sein Expertenwissen zur Verfügung, wobei sich seine Kompetenz aus erfahrungsbasiertem Fallwissen und systematischem Regelwissen zusammensetzt. Somit müssen also gesell- schaftliche Normen sowie Bedingungen des Einzelfalls gleichzeitig Beachtung finden, auch wenn sich diese durchaus wider- sprechen können [Jacob, 2016]. Auf unseren Fall bezogen ist es laut der zahnärztlichen Berufsordnung das Recht von P., als angestellter Zahnarzt vom Grund- satz her Therapieentscheidungen und Behandlungsmaßnahmen vollkommen frei und unabhängig sowie auf den Einzelfall bezogen zu treffen. Von der Gewichtung her sollten diese Regeln über denen des Ethische Dilemmata, also Situationen, in denen der Zahnarzt zwischen zwei konkur- rierenden, nicht miteinander zu vereinba- renden Handlungsoptionen zu entscheiden oder den Patienten zu beraten hat, lassen sich mit den Instrumenten der Medizinethik lösen. Viele der geläufigen Ethik-Konzep- tionen (wie die Tugendethik, die Pflichten- ethik, der Konsequentialismus oder die Für- sorge-Ethik) sind jedoch stark theoretisch hinterlegt und aufgrund ihrer Komplexität in der Praxis nur schwer zu handhaben. Eine methodische Möglichkeit von hoher praktischer Relevanz besteht hingegen in der Anwendung der sogenannten Prinzipien- ethik nach Tom L. Beauchamp und James F. Childress: Hierbei werden vier Prinzipien „mittlerer Reichweite“, die unabhängig von weltanschaulichen oder religiösen Über- zeugungen als allgemein gültige ethisch- moralische Eckpunkte angesehen werden können, bewertet und gegeneinander ab- gewogen. Drei dieser Prinzipien – die Patientenauto- nomie, das Nichtschadensgebot (Non- Malefizienz) und das Wohltunsgebot (Be- nefizienz) – fokussieren ausschließlich auf den Patienten, während das vierte Prinzip Gerechtigkeit weiter greift und sich auch auf andere betroffene Personen oder Personen- gruppen, etwa den (Zahn-)Arzt, die Familie oder die Solidargemeinschaft, bezieht. Für ethische Dilemmata gibt es in den meisten Fällen keine allgemein verbind- liche Lösung, sondern vielfach können differierende Bewertungen und Hand- lungen resultieren. Die Prinzipienethik er- möglicht aufgrund der Gewichtung und Abwägung der einzelnen Faktoren und Argumente subjektive, aber dennoch nachvollziehbare und begründete Gesamt- beurteilungen und Entscheidungen. Des- halb werden bei klinisch-ethischen Fall- diskussionen in den zm immer wenigstens zwei Kommentatoren zu Wort kommen. Oberstarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth Die Prinzipienethik 30 Vertrauen ist die Basis

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