Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 109, Nr. 22, 16.11.2019, (2488) Dr. Karl-Georg Pochhammer Stellv. Vorsitzender des Vorstands der KZBV Foto: Darchinger ” Das DVG-Gesetzesvorhaben quillt nur so über von Verpflich- tungen, Fristen und Sanktionen. Das zeugt von einem tiefen Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber der Selbstverwaltung der Heilberufe. Digitalisierung im Gesundheitswesen ist in der öffentlichen Diskussion zu einem Reizwort geworden, das Menschen entweder a) in Euphorie versetzt, b) eine blanke Abwehrhaltung hervorruft oder c) eine Art gesunden Pragmatismus walten lässt. In der Zahnarztpraxis ist die Digitalisierung ein echter Gewinn (Ich bin jetzt bei Variante a) – unser Berufsstand ist ja ohne- hin sehr technikaffin: CAD/CAM und 3-D- Druck sind inzwischen selbstverständlich, wir nutzen digitale Abrechnungssysteme und optimieren unsere Praxisabläufe dank digitaler Tools. Mit dem Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) macht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn weiter Druck, damit die Digitalisie- rung im Gesundheitswesen voranschreitet. Der Gesetzestext passiert – während diese zm-Ausgabe in den Druck geht – die letzten parlamentarischen Hürden. Die KZBV hat sich zu den bisher vorliegen- den Plänen klar positioniert. Erhebliches Potenzial für die vertragszahnärztliche Versorgung – ich bin noch bei Variante a – sieht sie bei digitalen Gesundheits-Anwen- dungen. Deswegen begrüßen wir, dass sich nun auch solche Apps in der vertrags- zahnärztlichen Versorgung finden sollen. Wir fordern, dass die im Gesetz vorgesehenen telemedizinischen Konsile auch in den zahnärztlichen Bereich Eingang finden. Das gilt auch für Videosprechstunden mit Patienten. Vor allem Pflegebedürftige oder Menschen mit Beeinträchtigungen könnten davon sehr profitieren. Doch das Gesetzesvorhaben birgt auch Punkte, die für uns inakzeptabel sind (ich bin jetzt bei Variante b): Es quillt nur so über von Verpflichtungen, Fristen und Sanktionen. Das zeugt von einem tiefen Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber der Selbstverwaltung der Heilberufe. So soll in einer viel zu kurz bemessenen Frist eine IT-Sicherheitsrichtlinie vorgelegt werden. Diese sieht ein Einvernehmen mit dem Bun- desamt für Sicherheit in der Informations- technik (BSI) vor. Das ist nach Auffassung der KZBV unverhältnismäßig, da Zahnarzt- praxen keine kritischen Infrastrukturen darstellen. Zu befürchten wären eine über- bordende Bürokratie, hohe Kosten und ein übertriebener Aufwand für Praxen, falls eine Auditierung greifen sollte. Ferner sollen wir bis zum 30. Juli 2021 nachweisen, dass alle erforderlichen Komponenten für den Zu- griff auf die neue elektronische Patienten- akte (ePA) vorliegen. Ansonsten erfolgt eine Kürzung der Vergütung pauschal um ein Prozent. Und wird das Versicherten- stammdatenmanagement (VSDM) nicht durchgeführt, wird die Vergütung ab dem 1. März 2020 um 2,5 Prozent gekürzt. Auch die im DVG geplante neue Rolle der Krankenkassen sehen wir kritisch (ich bleibe noch bei Variante b). Wenn Kassen sich unternehmerisch betätigen und digitale Innovationen fördern sollen, durchbricht das die bestehende Trennung von Kosten- trägern und Leistungserbringern. Das ge- fährdet den Sicherstellungsauftrag. Dafür hat der Gesetzgeber bis zu zwei Prozent der Finanzreserven der Kassen geplant. Kassen dürfen dann solche Produkte auch bei ihren Mitgliedern bewerben. Unsere Sorge ist, dass dadurch eine aktive, Rendite- orientierte Patientennavigation greifen wird. Doch wenn der Gesetzgeber den Kassen die Möglichkeit gibt, das Ganze noch mit Versichertengeldern zu fördern, sollten auch wir als KZBV alle Möglichkeiten nutzen, sinnvolle Innovationen auf den Markt bringen zu können. Mit Nachdruck setzt sich die KZBV dafür ein, dass die Digitalisierung im Gesund- heitswesen mit entsprechend hohen Datenschutzstandards einhergeht und dass Datensicherheit gewährleistet sein muss. Dazu gehört, dass wir für die Daten- sicherheit in unseren Praxen die Verant- wortung tragen und Standards befolgen. Aber genauso klar muss auch sein, dass die Haftung für Daten in der Praxis am Konnektor endet! Die Akzeptanz der Digitalisierung im Gesundheitswesen steht und fällt mit klaren Regeln zum Datenschutz. Auch der Nutzen von Diensten und Regelungen gehört auf den Prüfstand. Alle Akteure sind aufgerufen, hier ihren Beitrag zu leisten und dabei gesunden Pragmatismus walten zu lassen – damit plädiere ich für Variante c. DVG – ein Plädoyer für gesunden Pragmatismus 6 Leitartikel

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