Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 109, Nr. 22, 16.11.2019, (2490) Ich habe keine Gümmelpraxis! ! Zur Kolumne rund um die relevanten Praxisfragen: „Probleme des Praxis- verkaufs – Teil 1: Lassen Sie Ihre Praxis nicht vergümmeln“, zm 20/2019, S. 48–51. Kontra: Das Problem ist der Lern- und Organisationswille des Abgebers Es lebe die intelligente Gümmelpraxis! Henricis Kolumnen regen an, wenn auch manchmal zumWiderspruch. Hier: Hohe In- vestitionen, die nur dazu dienen, die Praxis attraktiver für eine Übernahme zu machen, halte ich für nicht gerechtfertigt. Wie Henrici richtig schreibt, übertrifft das Praxisangebot die -nachfrage deutlich, was sich die nächsten Jahre noch verschärfen wird. Wenn alle Praxen nun investieren würden, um attraktiver für Nachfolger zu werden, würde sich an diesem Missverhältnis nichts ändern. Die Vorbereitung der Übergabe würde nur für die Zahnärzteschaft als Ganzes teurer. Die, die keinen Nachfolger finden, müssten ihre diesbezüglichen Inves- titionen abschreiben. Für alle Praxisinhaber würde sich der wirtschaftliche Druck erhöhen. Nutznießer wären primär die Dentalindus- trie und die Berater. Ich halte es für unmöglich, den Geschmack eines zukünftigen Übernehmers bezüglich Technik und Anmutung der Praxis zu treffen. Zum Teil ist der Fortschritt in dentaler, digitaler Bildgebung noch so schnell (PC- Technik an sich hat sich konsolidiert), dass drei bis fünf Jahre nach Anschaffung die Geräte bereits absehbar veraltet sein werden, z. B. digitales Röntgen, Intraoralscanner. Mein Vorgehen – ich bin Jahrgang 1965 – ist daher ein anderes: Vor drei Jahren habe ich die letzten „großen“ Investitionen in die Praxis getätigt: neuer Autoklav inklusive EDV-Dokumentation und neue, günstige Dentaleinheit, die nur 15 Jahre laufen muss. Ich ziele auf einen Praxisbuchwert nahe 0 zum Zeitpunkt meines Renteneintritts, der dann zu keinem sonderlichen Abschreibungs- bedarf führen würde, sollte sich kein Nach- folger finden. Der dann versäumte Goodwill spielt in meiner langfristigen Finanzplanung keine Rolle. Investitionen, die betriebswirt- schaftlich angesichts meines zeitlichen Horizonts bis Renteneintritt sinnvoll sind, müssen natürlich weiter stattfinden, wobei nach über 20 Jahren der Optimierung ich meine Spielräume dort gering einschätze. Ich halte am konventionellen Röntgen und Handentwicklung fest, weil digitales Rönt- gen sich meines Erachtens betriebswirt- schaftlich nicht rechnet. Hingegen rechnet sich ein Mehrplatzsystem, wenn man wie ich die EDV selbst installiert und betreut, da- bei auch professionelle Gebrauchthardware nicht scheut, über eingesparte Arbeitszeit innerhalb von ein bis zwei Jahren. Ein EDV- gestütztes Recallsystem mit patienten- individuellen Recallintervallen rechnet sich ebenso. Ebenso, das Personal gut zu pflegen und z. B. der Verwaltungshelferin in ihrer Elternzeit die Verwaltungstätigkeit über Fern- bedienung des Praxis-PCs zu ermöglichen. Oder ein digitales Qualitätsmanagement-, Groupware- und Aufgabendelegations- system, mit dem sich flexibel auch wenig qualifiziertes Personal (Azubis) rasch in die Praxis produktiv einbinden lässt. Günstige Lösungen dafür, teils von außerhalb der Dentalbranche, gibt es seit über 15 Jahren. Sinnvoll scheinen mir seit 25 Jahren elec- tronic banking, eigene Buchhaltungs- und Steuersoftware, die den Steuerberater er- übrigen, ein professionelles, eigenes Forde- rungsmanagement, das Verluste minimiert. Das heißt, digital geht betriebswirtschaflich viel Sinnvolles, aber auch viel Sinnloses. Letzteres wird mit Angst verkauft, der Angst, technisch nicht mehr up to date zu erscheinen. Angesichts des die nächsten Jahre sinkenden Behandlungsangebots bei konstanter oder steigender Nachfrage halte ich diese Angst für unberechtigter denn je in den letzten 25 Jahren. Und wenn die Kernprozesse der Praxis opti- miert sind, was sich im Gewinn (lt. Henrici) oder doch zumindest im Gewinnanteil am Umsatz niederschlagen muss, könnte eine auch auf den ersten Blick gümmelige Praxis beim Verkauf einen Goodwill generieren – ohne betriebswirtschaftliches Risiko für den Abgeber durch für ihn entbehrliche Investi- tionen. Denn Technik und Ausstattung der Praxis lassen sich in kurzer Zeit erneuern, wenn der Übernehmer das will. Ein guter Patientenstamm, qualifiziertes, motiviertes Personal, auch medizinisch optimierte Pra- xisprozesse und die Einarbeitung in die Chefrolle durch den Abgeber hingegen gibt es noch nicht von der Stange zu kaufen. Der Engpass heute und in Zukunft dafür sind weder Geld noch Technik, sondern lang- jähriger Lern- und Organisationswille beim Abgeber. Michael Logies, Zahnarzt, Wallenhorst 8 Leserforum

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