Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24
zm 109, Nr. 23-24, 1.12.2019, (2646) Sie selbst habe im Vorfeld ihr Praxiskonzept präzise definiert und wichtige Fragen vorab geklärt: Welche Größe soll die zukünftige Praxis haben? Wie soll die Raumaufteilung sinnvollerweise sein? Welche Standortfakto- ren, zum Beispiel gute Verkehrsanbindung, vorhandene Parkplätze und Barrierefreiheit, brauche ich für meine Praxis? Auch habe sie ihre Investitionskosten im Vorfeld pro Praxis- raum und technischer Einheit kalkuliert, so realistisch wie möglich, und die laufenden Betriebskosten fürs erste halbe Jahr nach der Gründung nebst finanziellem Puffer schon in ihre Kreditsumme mit eingerechnet. Denn zu Beginn müsse man nur Rechnun- gen bezahlen und mache überhaupt noch keinen Gewinn, referierte die heute erfolg- reiche Kinderzahnärztin. Martin Boost, Justiziar der Landeszahnärzte- kammer Hessen warnte ebenfalls davor, sich von Beratern aus Industrie und Depots drän- gen zu lassen. Er empfahl, vor der Anmie- tung von Praxisräumlichkeiten Freunde, die keine Zahnärzte sind, zur Besichtigung mit- zunehmen. Diese könnten unbefangen die Patientenperspektive einnehmen und auf eventuelle Problemfaktoren hinweisen. Ver- träge wie den Kaufvertrag bei einer Praxis- übernahme oder den Gesellschaftsvertrag bei Gemeinschaftspraxen sollten angehende Praxisgründer in jedem Fall von einem eigenen Rechtsanwalt prüfen lassen. Auch das Thema Ehevertrag dürften Freiberufler ihren Partnern oder Partnerinnen im Prinzip nicht ersparen, denn im Fall einer Scheidung könne die eigene Existenz von Zugewinn- Fragen abhängen. Boost ermutigte die Zu- hörer, sich in Rechtsfragen zunächst an den Justiziar ihrer jeweiligen Landeszahnärzte- kammer zu wenden. Dieser könne unabhän- gig und kostenlos erste Fragen klären oder an niedergelassene Kollegen verweisen. Um die zeitsparende Bewältigung büro- kratischer Aufwände ging es beim Vortrag des Schleswig-Holsteiner Zahnarztes und Kammervorstands Dr. Kai Voß und seines Sohnes Maximilian, Weiterbildungsassistent für Oralchirurgie in Witten. In einem Frage- Antwort-Setting erkundigte sich der junge beim erfahrenen Kollegen, wie man im Dschungel der Bürokratie die Orientierung nicht verliert. Schließlich gebe es mittlerweile über 2.800 Seiten gesetzliche Regelungen, hinzu kämen zahlreiche untergesetzliche Vorschriften. Der Papierberg sei gerade für angehende Praxisgründer furchteinflößend. Doch für fast alle Themen halten die Landes- zahnärztekammern Informationsmaterial bereit. Bereits in elf Zahnärztekammern ein- geführt ist eine webbasierte interaktive Plattform, das Zahnärztliche Qualitätsmana- gementsystem (ZQMS). Zahnärzte können sich dort – in einigen Kammerbereichen kos- tenlos – registrieren und das umfangreiche Angebot an Informationen, Checklisten, Musterverträgen bis hin zu interaktiven Funktionen wie Terminerinnerungen nut- zen. Das funktioniert auch für „kammer- fremde“ Zahnärzte, einzige Einschränkung ist hier, dass die Inhalte nur die spezifischen Regelungen im Bereich der anbietenden Kammer abbilden. Bürokratie: Der Wahnsinn hat Methode „Sie haben den ganzen Tag über nur Dinge gehört, die nichts mit Patientenbehandlung zu tun haben.“ So begann Dr. Peter Engel, BZÄK-Präsident, und fügte hinzu, der büro- kratische „Wahnsinn hat Methode“. Die Rahmenbedingungen für den Berufsstand veränderten sich heute so rasch, dass es eine große Herausforderung für die Standespoli- tik sei, zeitnah adäquat zu reagieren. Zusätz- lich gerate der Berufsstand durch das EU- Recht unter Druck, das künftig für jede neue berufsrechtliche Regelung einen Nutzen- nachweis fordert. In der anschließenden Diskussion forderten etliche Teilnehmer mehr Anstrengungen, um junge Kolleginnen und Kollegen für die Standespolitik zu gewinnen. Ein Fortschritt sei sicherlich, dass der Frauenanteil in der Bundesversammlung in diesem Jahr auf über 20 Prozent gestiegen ist. Engel ermutigte ausdrücklich die Zahnärztinnen, sich standes- politisch zu engagieren. Zum Abschluss des Kongresses stellte die Oralchirurgin Dr. Isabel Deckwer, Vorstands- mitglied der LZK Hessen, eine Online- Umfrage des BZÄK-Ausschusses Beruflicher Nachwuchs, Familie und Praxismanage- ment aus dem Jahr 2018 vor. Darin hatte der Ausschuss bundesweit knapp 300 neu nie- dergelassene Zahnärzte und Zahnärztinnen nach ihren Erfahrungen bei der Niederlas- sung gefragt, um den Unterstützungsbedarf durch die Zahnärztekammern zu ermitteln: Knapp 80 Prozent wünschten sich mehr Kenntnisse über Praxisführung und Verwal- tung, nahezu 60 Prozent fühlten sich in Rechtsfragen unsicher. Von den Zahnärzte- kammern hätten sich die Befragten einen Leitfaden zur Timeline der einzelnen An- träge gewünscht, um nicht alles einzeln bei den jeweiligen Stellen erfragen zu müssen. Trotz aller Schwierigkeiten und Anstrengun- gen rund um die Niederlassung zogen die Befragten ein positives Fazit und ermutigten ihre Kollegen, sich ebenfalls niederzulassen, mahnten aber, sich ausreichend Zeit zu neh- men und unabhängige Berater zu suchen. Dr. med. dent. Kerstin Albrecht Medizin-/Dentaljournalistin \ Frühzeitig mit der Planung beginnen \ Das Gespräch mit erfahrenen Kollegen suchen, in ein Netzwerk eintreten \ Vorsicht bei Verkäufern! Nur unabhängi- gen Beratern vertrauen \ Genau den Standort analysieren \ Schon in der Assistenzzeit das ZQMS-On- linetool durcharbeiten, um sich viele Kennt- nisse über QM und Verwaltung anzueignen \ Ein Führungskräfte-Seminar besuchen \ Sich frühzeitig um Personal kümmern \ Fortbildungsangebote zu Themen wie Praxis- und Personalführung, Abrechnung, Rechtsfragen, Versicherungen, QM und Hygiene nutzen \ Sich an einen Steuerberater wenden \ Bei Kinderwunsch besser nicht in Einzel- praxis niederlassen Quelle: Onlineumfrage „Neu niedergelassen“, Bundeszahnärztekammer, 2018. 10 Tipps junger Niedergelassener für Praxisgründer 28 Deutscher Zahnärztetag 2019
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