Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 110, Nr. 1-2, 16.1.2020, (8) GOZ STILLSTAND UND FACHLICHE DEFIZITE IN DER DAUERSCHLEIFE Zum Beitrag „BZÄK-Bundesversammlung – Für die Zukunft gut gerüstet“, zm 23–24/2019, S. 22–23. Der Frust der niedergelassenen Zahnärzte über die GOZ ist nur allzu verständlich. Das betrifft den jahrzehntelangen Stillstand des Punktwerts ebenso wie die fachlichen Defizite, die auch mit der Teil-Novellierung 2012 nur teilweise behoben wurden. Die den Zahnärzten zur Verfügung stehenden Waffen, gegen diesen staatlich verordneten realen Honorarrückgang anzugehen, sind stumpf. Stumpfe Waffen der GOZ Die erste Waffe der GOZ ist der Gebührenfaktor. Leider ein Florett, dessen Verwendung immer wieder als unzulässig gebrandmarkt wird. Die forcierte Anwendung des Gebühren- faktors innerhalb des Gebührenrahmens verursacht bei vielen Kolleginnen und Kollegen regelmäßig lästige Rückfragen von Patienten, die ihre Erstattungsbescheide auf die Rezeption legen und die Botschaft vermitteln, hier sei doch wohl „zu hoch“ abgerechnet worden. Es ist den Zahnärzten schlicht nicht zu- zumuten, einen Teil ihrer Arbeitszeit mit zusätzlichen Rechnungs- Erläuterungen, erweiterten Begründungen und mit der Abwehr von falschen gebührenrechtlichen Auslegungen durch Versiche- rungen und Beihilfestellen zu verbringen. Außerdem ist es weder zumutbar noch gebührenrechtlich haltbar, dass sich der Zahnarzt für die ganz normale Leistung ohne zusätzlichen Schwierigkeits- grad und ohne erhöhten Zeitaufwand eine Begründung „aus den Rippen schneidet“, um auf ein auskömmliches Honorar zu kommen, das wenigstens das inzwischen davon gelaufene „Bema-Honorar“ in der GKV erreicht. Die zweite Waffe, der Paragraf 2, die „Freie Gebührenverein- barung“, ist ein schweres unhandliches Schwert. Dessen Ver- wendung wird zwar immer wieder als DAS Mittel für den honorartechnischen Befreiungsschlag propagiert, wirklich durch- setzen konnte es sich im Alltagsgeschäft der meisten Praxen jedoch nicht. Dem Architekten mag dieses Mittel für die freie Planung eines Hauses praktikabel und probat erscheinen, für die tägliche Praxis des Zahnarztes mit den vielen „kleinen“ Behandlungen ist die freie Gebührenvereinbarung ein sehr mühsames Geschäft. Zeit-Honorar als realistische Option? Vor diesem schwierigen Hintergrund werden manche Köpfe kreativ. Da will eine Zahnärzte-Vereinigung eine neue „Einheits-Gebührenordnung“ , ein anderer Zahnärzte-Verband denkt über ein Zeit-Honorar nach. Nachdenken hilft in der Tat. Ein Honorar nach aufgewendeter Zeit würde bei Beratungs- leistungen zwar in Frage kommen. Bei allen anderen zahn- ärztlichen Leistungen ist das allerdings ein „Schmarrn“. Ich möchte mir ungern vorstellen, dass die Osteotomie eines chirurgisch versierten Zahnarztes schlechter bezahlt wird, als die Osteotomie des Kollegen, der nach eineinhalb Stunden „noch immer auf dem Brustkorb kniet“. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass der mit zwei Assistenzen zügig arbeitende Kollege schlechter bezahlt wird als der Zahnarzt, der nur eine Azubi am Stuhl hat. Von den „zwei linken Händen“ wollen wir hier lieber nicht sprechen. Nicht alles, was länger dauert, ist damit auch automatisch besser für den Patienten. Also bitte in den FVDZ-Papierkorb mit solchen Ideen. Ein „Honorar nach Zeit“ ist leistungsfeindlich und spielt nur denen in die Karten, die ohnehin schon immer die engere Anbindung der Zahnärzte an staatliche Strukturen verfolgt haben. Einheitsgebührenordnung als Vorstufe zur Einheitsversicherung? In dem Blatt „DZW“ wurde bereits die Idee der „Einheits- gebührenordnung“ von der Privatzahnärztlichen Vereinigung Deutschlands/PZVD bejubelt. Auch hier wäre mehr Nachdenken hilfreich. Eine Einheitsgebührenordnung – und diese mit mehreren Erstattungsklassen zu hinterlegen – ist politisch nicht besonders schlau. Niemand möge glauben, dass derartige Wunschvorstel- lungen vom Verordnungsgeber eins zu eins umgesetzt werden würden. Derartige Vorschläge werden regelhaft politisch so verbogen, bis sie ins Konzept der Kostenerstatter passen. Da Bundesregierung und Bundesrat wegen der Beihilfekosten politisch nicht neutral agieren, ist das Ergebnis wie schon 2012 bei der Punktwertfrage vorhersehbar. Das Stichwort „Einheits- gebührenordnung“ (ausgerechnet von den Zahnärzten!) ebnet selbst einem konservativen Bundesgesundheitsminister den Weg in die Bürgerversicherung. Wie schnell Spahn die Dinge umsetzt, können wir derzeit ja wöchentlich bestaunen. Außerdem darf man mit Recht fragen, mit welchem demokratisch legitimierten Auftrag der Zahnärzteschaft der PZVD-Weg einer öffentlichen Petition an die Bundesregierung gegangen wurde. Was tun? Trotz der jährlich anwachsenden Protestberechtigung wegen unterlassener Punktwertanpassung scheint die Protestbereitschaft in der Breite der Zahnärzteschaft eher kleiner zu werden. Die Zeiten von weiß-bekittelten Demonstrationen in Berlin sind wohl Vergangenheit. Man fügt sich in sein Schicksal. Vielleicht sind wir Zahnärzte zu den Gänsen geworden, die schnatternd auf Sankt-Martin warten? Die Zeit des Punktwertstillstands täglich in Tagen zu zählen, hat etwas Amüsantes, aber wenig nachhaltige Wirkung. Die Stadionuhr des Fußball-Bundesliga-Dinos HSV im Hamburger Volksparkstadion, die die Zugehörigkeitstage zählte, ist irgendwann auch sang- und klanglos abgebaut worden. Die Anträge und Beschlüsse der Bundes- und Hauptversammlun- gen sind Legion und Legende. Dennoch ist es richtig, diesen unmöglichen Zustand, diese unerträgliche Untätigkeit des Bundesgesundheitsministeriums Jahr für Jahr zu thematisieren und anzuprangern. Richtig ist auch die Absicht des BZÄK- Vorstands, eine Novellierung nicht nur auf den pekuniären Aspekt des Punktwerts zu beziehen, sondern das Thema mit den 10 | LESERFORUM

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