Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 110, Nr. 1-2, 16.1.2020, (10) 12 | POLITIK HERBERT-LEWIN-PREIS Die Gräuel von damals bleiben gegenwärtig Zum siebten Mal wurde in Berlin der Herbert-Lewin-Preis zur Aufarbeitung der Geschichte der Ärzteschaft im Nationalsozialismus verliehen. Mit dem vom Bundesgesundheitsministerium (BMG), der Bundesärztekammer (BÄK), der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) ausgeschriebenen Forschungspreis wurden dieses Jahr drei Arbeiten prämiert. D er Forschungsbedarf ist enorm“, betonte der KZBV-Vorsitzende Wolfgang Eßer, in seinem Gruß- wort: „Es gibt noch viele weiße Flecken auf der Forschungslandkarte, und es geht darum, Kenntnisse über historische Zusammenhänge und Realitäten zu er- langen.“ Auch die Zahnärzteschaft sei tief in die NS-Machenschaften ver- strickt gewesen, sagte Eßer. Und auch heute würden Gewalt und Aggression zu Instrumenten gegen Andersgläubige, Menschen anderer Herkunft und poli- tisch Andersdenkende. Dem müsse man entschieden entgegentreten. Nach 1933 habe es alsbald keine Berufs- gruppe mehr gegeben, die nicht massiv von der NS-Ideologie durchdrungen war, erläuterte Prof. Julius H. Schoeps, Direktor des „Moses Mendelssohn Zen- trum für europäisch-jüdische Studien“ an der Universität Potsdam und Vor- standsvorsitzender der Moses Mendel- sohn Stiftung in Erlangen, in seinem Vortrag zur Preisverleihung. Schoeps: „Die deutsche Ärzteschaft machte da keine Ausnahme, auch wenn im Detail das alles noch nicht so erforscht ist, wie es eigentlich notwendig wäre.“ Nach 1945 habe so mancher Mediziner, der sich in die Nazi-Politik einspannen ließ, Probleme gehabt, über seine Zeit im „Dritten Reich“ Rechenschaft abzu- legen. Nicht zu vergessen jedoch seien auch diejenigen, die sich dem Ganzen unter großem Risiko entgegenstellten. Und schließlich gehe es um die Ärzte, denen quasi über Nacht verboten wurde, ihre Praxen und Kliniken wei- ter zu betreten und die von Kollegen und Patienten nicht mehr gekannt und akzeptiert wurden – wie es auch seinem Großvater erging: „Als das NS-Regime Julius Schoeps 1938 den Arzttitel entzog, und er nur noch als ‚ Heilbehandler‘ für ‚ Nichtarier‘ zuge- lassen werden sollte, verzichtete er da- rauf, noch weiter Praxis auszuüben. Den Gedanken an Auswanderung wies er jedoch mit Entrüstung zurück. Er habe, so erklärte er, nichts Unrechtes getan und keinen Grund, aus seinem Vaterland fortzugehen.” Julius Schoeps wurde wenig später nach Theresien- stadt deportiert, seine Frau begleitete ihn freiwillig. Er starb im KZ Theresien- stadt, seine Frau wurde in Auschwitz ermordet. Foto: KZBV_axentis.de V.l.n.r.: Dr. Thomas Kriedel (Mitglied des Vorstands der KBV), Susanne Wald (Leiterin Abteilung 3 im BMG), Preisträger Dr. Mathias Schütz, Preisträgerin Dr. Doris Fischer-Radizi, Dr. Klaus Reinhardt (Präsident der BÄK), Preisträgerin Dr. Susanne Doetz, Dr. Peter Engel (Präsident der BZÄK), Preisträger Prof. Dr. Christoph Kopke, Dr. Wolfgang Eßer (Vorsitzender des KZBV-Vorstands)

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