Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 110, Nr. 1-2, 16.1.2020, (22) 24 | GESELLSCHAFT VORSTELLUNG DES NS-FORSCHUNGSPROJEKTS IN BERLIN „Wir Zahnärzte haben versagt“ Ende November wurden in Berlin erstmals die Ergebnisse des Projekts „Zahnmedizin und Zahnärzte im Nationalsozialismus“ vorgestellt. Wissenschaftler der Universitäten Düsseldorf und Aachen hatten in den vergangenen vier Jahren im Auftrag von Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV), Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Deutscher Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) die Rolle der Zahnheilkunde im NS-Regime systematisch aufgearbeitet. Z iel des Projekts war, die Geschichte der Zahnärzte- schaft und ihrer Organisationen in den Jahren 1933 bis 1945 sowie in der Nachkriegszeit umfassend abzubilden. DAS PROJEKT Beleuchtet wurde die Rolle zahnärztlicher Täter und Opfer. Im Fokus der Täter-Forschung standen dabei besonders die Präsidenten und Ehrenmitglieder zahnärztlicher Fachgesell- schaften, die Affinität zahnärztlicher Hochschullehrer und Standespolitiker zur NSDAP sowie die Bedeutung der Zahnärzte als Angehörige der Waffen-SS, als Personal in den Konzentrationslagern und – nach 1945 – als Angeklagte vor Gericht. Dokumentiert sind zum Teil erhebliche Verstrickungen von Zahnärzten, Kieferchirurgen und Standespolitikern in das verbrecherische System des Nationalsozialismus. Gleich- zeitig wurden besonders jüdische Zahnärzte mit Berufs- einschränkungen oder -verboten belegt, enteignet, ent- rechtet, vertrieben und ermordet. ZAHNÄRZTE ALS TÄTER „Die Zahnärzteschaft diente sich dem NS-Regime in vielerlei Hinsicht an“, resümierte Prof. Dominik Groß. Der Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin und Inhaber des gleichnamigen Lehrstuhls der RWTH Aachen beschäftigte sich mit der Rolle der „Zahnärzte als Täter“: „Im Jahr 1938 waren bereits neun Prozent aller Zahnärzte Mitglieder der Allgemeinen SS, gut 60 Prozent der zahnärztlichen Hochschullehrer traten bis 1945 in die NSDAP ein. Mindestens 300 Zahnärzte engagierten sich in der Waffen-SS, etwa 100 Zahnärzte waren als Zahnärzte in Konzentrationslagern tätig und mindestens 48 Zahnärzte wurden ab 1945 als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt.“ Nach dem Krieg sei es zu keinem wirklichen Neuanfang ge- kommen: „So waren sechs der sieben zwischen 1949 und 1981 amtierenden Präsidenten der DGZMK ehemalige Mit- glieder der NSDAP. Gleiches galt für die Hälfte der von 1949 bis 1982 ausgezeichneten Ehrenmitglieder und -medaillen- träger. Dagegen gingen nur zwei Prozent dieser Ehrungen an entrechtete jüdische Kollegen.“ Foto: KZBV-Nürnberger Dr. Matthis Krischel (Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Prof. Dr. Dr. Dr. Dominik Groß (Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin und Inhaber des gleichnamigen Lehrstuhls der RWTH Aachen), Dr. Wolfgang Eßer (Vorsitzender des Vorstands der KZBV), Dr. Peter Engel (Präsident der BZÄK), Prof. Dr. Roland Frankenberger (Präsident der DGZMK) (v.l.n.r.)

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