Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02
zm 110, Nr. 1-2, 16.1.2020, (23) VERFOLGTE ZAHNÄRZTE Dr. Matthis Krischel, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf, untersuchte die „verfolgten Zahn- ärzte“: „Die überwiegende Mehrheit wurde aufgrund ihrer jüdischen Religion oder Abstammung verfolgt, einige auch wegen politischer Opposition gegen die Nationalsozialisten, wegen aktiven Widerstands oder wegen ihrer sexuellen Orientierung“, erläuterte Krischel. Dass unter den Opfern auch ein Zeuge Jehovas und eine er- mordete psychisch erkrankte Zahnärztin waren zeige, aus welch unterschiedlichen Gründen Menschen in das Faden- kreuz der Nationalsozialisten gerieten. Mehr als 60 Prozent der Verfolgten konnten aus Deutschland fliehen. Doch wurde fast ein Viertel der ZahnbehandlerInnen deportiert und in den Lagern ermordet. „Nur eine Minderheit über- lebte entweder die KZs oder konnte in Deutschland unter- tauchen,“ berichtete Krischel. SCHULD UND SCHMERZ HEUTE Über die Schwere dieser Schuld sprach Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV: „Der Gedanke an die politische Verstrickung des Berufsstands in der NS-Zeit ist bedrückend, er schmerzt und beschämt, ebenso wie der Gedanke an Zahnärztinnen und Zahnärzte die Opfer der Nationalsozialisten wurden. Aber es ist ein notwendiger Schmerz, der die Erinnerung an Geschehenes wachhält. Er zwingt uns zur Auseinandersetzung, zur Selbstreflexion, er zwingt uns, lange ausgeblendete Realitäten anzuerkennen. Er zwingt uns, über Recht und Unrecht, über Menschlichkeit und Unmenschlichkeit, über Ausflucht und Verantwortung nachzudenken. Er macht uns demütig, aber auch sensibel für Fehlentwicklungen, ideologische Verirrungen und Into- leranz, welche im gesellschaftlichen Diskurs gegenwärtig wieder verstärkt konstatiert werden müssen. Ein Teil der Bevölkerung sucht nach Orientierung, ein anderer scheint geschichtsvergessen zu sein oder gar wieder empfänglich für nationalistisches Gedankengut. Wenn wir aus unserer Geschichte eine Lehre ziehen, dann diejenige, dass wir be- reits den Anfängen entschieden wehren müssen und nicht erst ein bestimmtes Ausmaß von Unrecht oder politischer Eskalation abwarten dürfen.“ Für Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK, ist das Forschungs- projekt auch ein Signal, dass die Zahnärzteschaft ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt. „Die Aufarbeitung hilft uns, aus der Vergangenheit zu lernen, aus ihr wichtige Lehren zu ziehen, Anzeichen für Missstände zu erkennen, kurz: unseren moralischen Kompass zu justieren und korrekt auszurichten“, sagte Engel. Das gebiete nicht zuletzt auch das zahnärztliche Ethos: „Wir möchten eine Kultur der Erinnerung.“ Prof. Dr. Roland Frankenberger, Präsident der DGZMK, er- innerte daran, dass 60 Prozent der untersuchten Hochschul- lehrer für Zahnmedizin NSDAP-Mitglieder waren – wie auch die Hälfte aller von der DGZMK nach dem Zweiten Welt- krieg ausgezeichneten Wissenschaftler in der betreffenden Alterklasse. „Wir Zahnärzte – und allen voran die Vertreter der Wissenschaft – haben versagt“, bekannte Frankenberger: „Im Dritten Reich durch politisch angepasstes Verhalten und in den folgenden Jahrzehnten durch Ausblenden und ein dauerhaftes Wegschauen.“ ck/pm Gemeinsam mit der DGPro untersucht die Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde der Universität Leipzig die aktuellen Versorgungsgewohnheiten der Zahnärzte in Deutschland bei der Materialwahl für festsitzenden, zahngetragenen Zahnersatz. Zu der 5-minütigen Umfrage gelangen Sie über diesen QR-Code oder über die Internetseite der Poliklinik. Bitte beteiligen Sie sich an der Umfrage bis zum 31.01.2020. Herzlichen Dank, dass Sie unsere Forschungsarbeit unterstützen, Dr. Angelika Rauch und Professor Dr. Sebastian Hahnel WAS EMPFEHLEN SIE? ZAHNÄRZTE IM DRITTEN REICH | 25
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