Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 110, Nr. 1-2, 16.1.2020, (45) Schmelz entfernt. Die so vorbereiteten Proben wurden mit CAD/CAM-gefräs- ten 2 mm dicken Keramik-Scheiben (e.max CAD) „versorgt“, das heißt, in Gruppe 1 wurde eine plane Kavität mit zirkulärer Schmelzbegrenzung gebon- det, in Gruppe 2 handelte es sich nur um gebondetes Dentin (Abbildung 4). Die adhäsive Vorbehandlung erfolgte mit OptiBond FL (Kerr, Orange, CA, USA, 20 s separat polymerisiert), die Keramikunterseite wurde mit Flusssäure für 20 s geätzt und silanisiert. Die Proben wurden einer Langzeit-Kausimulation mit Temperaturwechsellast unterzogen und es wurde zunächst nur beobachtet, ob die Retention gewährleistet war. Das Resultat war eindeutig: In Gruppe 1 „überlebten“ alle Proben die fünf Millionen Kauzyklen, in Gruppe 2 überlebte keine Probe, wobei das Versagen auch immer auf der Dentin- und nicht auf der Keramikseite lag. Auch in Gruppe 2 zeigte sich eine durchaus dauerhafte Mikroretention, denn fünf Millionen Kauzyklen sind eine beträchtliche Anzahl. Im Bereich zwischen drei und fünf Millionen Zyklen fiel aber dann eine Probe nach der anderen ab, da im Vergleich zu Gruppe 1 hier Degradationsprozesse wie Hydrolyse und enzymatischer Ab- bau (durch Matrix-Metalloproteasen – MMPs) ungeschützter ablaufen [Mazzoni et al., 2015]. Dies ist eine „kleine“ In-vitro-Studie, die jedoch exakt herauszuarbeiten vermag, wo noch immer die Unterschiede zwischen Schmelz- und Dentinbonding liegen – in der Anfälligkeit für Biodegradation über lange Zeit. Das bedeutet natürlich nun nicht, dass Dentinhaftung per se nicht funktioniert, denn fünf Millionen Kauzyklen bedeuten über- setzt in die Realität viele Jahre Dauerbeanspruchung, es kommt hier lediglich auf den Unterschied zum Schmelzbonding an. Die oft gestellte Frage, ob zum Beispiel CHX als wirksamer Inhibitor gegen MMPs wirken kann und somit die Bio- degradationsprozesse verhindert, kann mit diesem Versuchsaufbau ebenfalls beantwortet werden. Obwohl diese Nachfolge-Studie noch nicht komplett abgeschlossen ist, kann man bereits jetzt feststellen, dass die Biodegradation in diesem Setup trotz CHX-Applikation abläuft und allenfalls etwas verzögert wird [Frankenberger et. al, noch nicht publiziert]. Um darüber hinaus Unterschiede bezüglich der Effektivität und Dauer- haftigkeit beim Dentinbonding herauszuarbeiten, bedienen wir uns des Microtensile-Verfahrens in Klasse- I-Kavitäten, im Rahmen dessen Klasse- I-Füllungen an extrahierten Zähnen gelegt werden [Nikolaenko et al., 2004]. Danach werden die Zähne in Scheibchen und Stäbchen geschnitten, um durch ein Abziehen der Stäbchen die regionale Haftung am Kavitäten- boden bei hohem Konfigurationsfaktor zu ermitteln. Um Degradationsprozes- se zu berücksichtigen, werden die Stäbchen bis zu drei Jahre in Wasser gelagert. Die Ergebnisse einiger Adhäsivsysteme sind in Abbildung 5 dargestellt. Diese Ergebnisse belegen, dass die Klasse der Universaladhäsive heute das Niveau der klassischen Mehrflaschen- adhäsive praktisch erreicht hat. Das liegt auch daran, dass alle Universalad- häsive heute das aus Clearfil SE Bond bekannte Monomer MDP enthalten [Carrilho et al., 2019]. Es wurde nach- gewiesen, dass unter Beimengung solcher Monomere ein sogenanntes „Nano-Layering“ im Dentin-Adhäsiv- Komposit-Interface erfolgt, das die Haf- tung stabilisieren soll [Tian et al., 2016]. Vor allem resultiert aus dessen Inkorporation eine nachweisbare chemische Bindung zum Kalzium des Dentins, wodurch die Beständigkeit des Dentinbondings verbessert wird [Zhou et al., 2019]. Die Vorgängerprodukte der neuen Adhäsivgeneration „Universaladhäsive“ waren ursprünglich nur für die direkte Kompositrestauration entwickelt wor- den. Die heutigen Universaladhäsive sind jedoch auch für indirekte Restaurationen freigegeben. Auch wenn es gerade bei indirekten Restau- rationen aufgrund des höheren Auf- wands gar nicht auffällt, wenn man mehrere Flaschen benutzt, sind diese Adhäsive aus anderen Gründen für diese Indikation interessant geworden: Sie bilden nach erfolgter separater Lichtpolymerisation dünne und somit im indirekten Prozedere gut beherrsch- bare Adhäsivschichten, die beim ad- häsiven Befestigen die Kavitäten- geometrie nicht verändern, wodurch das Inlay oder die Teilkrone auch bei separater Polymerisation problemlos in die Endposition passt. Langzeitbelastung von Schmelz-/Dentinbonding 1 2 1: Dentin + Schmelz 2: nur Dentin Intakte Proben 1 Mio. 2 Mio. 3 Mio. 4 Mio. 5 Mio. (n = Kauzyklen) Abb. 2: Ausgedehnte Kompositrestaurationen nach Entfernung insuffizienter Amalgamrestaurationen aus einer klinischen Studie beim 10-Jahres-Recall ohne jeden Hinweis auf Versagen beim Bonding, auch nicht bei dentinbegrenzten Approximalkästen. Foto: Reinelt/Krämer Abb. 4: Versuchsaufbau (links) und Ergebnisse (rechts) zur Langzeitbelastung von Schmelz-/Dentinbonding in vitro über fünf Millionen Kauzyklen inklusive Retentionsverlust über die Zeit Quelle: Frankenberger | 47

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