Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02
zm 110, Nr. 1-2, 16.1.2020, (55) Anamnese und Befunde Ein 59-jähriger Mechaniker stellte sich mit frakturiertem Zahn 12 und verlorener Krone in der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde der Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten des Universitätsklinikums Heidelberg vor (Abbildungen 5a und 5b). Bei der Erhebung der allgemeinen Anamnese gab der Patient eine koronare Herz- erkrankung und eine chronisch-ob- struktive Lungenerkrankung (COPD) an. Er rauchte nicht, nahm ein Präparat zur Antikoagulation (Xarelto 10 mg) und bei Bedarf ein kortisonhaltiges Abb. 5a–5n: Ausgangszustand und Herstellung einer R3-Restauration zum direkten Aufbau des Zahnes 12: Detaillierte Erläuterungen der Abbil- dungen befinden sich im Text. Asthmaspray (Symbicort 160/4,5 µg/ Dosis) ein. Zum Zeitpunkt der Erst- vorstellung hatte der Patient keine Schmerzen, keine Zahnlockerungen und keine erhöhten Sondierungstiefen an Zahn 12. Da der Wurzelrest des Zahns 12 nach Verlust der Restauration umgehend mit provisorischem Zement abgedeckt worden war, konnte eine Reinfektion des Kanals nahezu ausge- schlossen werden. Der Röntgenbefund zeigte eine unauffällige periapikale Region und eine intraradikuläre Trans- luzenz im Sinne einer homogenen Wurzelkanalfüllung nach Restaurations- verlust, die bis etwa 1,0 mm vor das Foramen apikale reichte (Abbildung 5c). Erste Phase: individueller Wurzelstift Die wichtigsten für die R3-Technik ver- wendeten Materialien sind in Tabelle 2 aufgeführt. In der ersten Phase wurden die zugäng- lichen Oberflächen des Wurzelrests ge- reinigt, die Karies exkaviert und unter relativer Trockenlegung die Wurzel- kanalfüllung um 5 mm gekürzt. An- schließend wurde das faserverstärkte Kompositmaterial, wie im vorherigen Fallbeispiel dargestellt, abgemessen (5 mm Wurzelkanal plus 5 mm koro- naler Anteil) und mit einer Schere in der Verpackung zurechtgeschnitten. Nach Anätzen mit Phosphorsäure, Spülen und Trocknen von Wurzeloberfläche und Kanallumen des Zahns 12 erfolgte das Auftragen von Primer und Adhäsiv mit anschließender Lichthärtung. Daraufhin wurde zunächst eine kleine Menge eines fließfähigen Bulk-Fill- Komposits in den Wurzelkanal einge- bracht. Im Anschluss wurde das faser- verstärkte Kompositmaterial platziert und mit einer Polymerisationslampe mit speziellem Ansatz lichtgehärtet (Abbildungen 5d–5f). Aufgrund der Größe des Kanallumens wurde im vor- liegenden Fall lediglich ein Strang des faserverstärkten Kompositmaterials eingebracht, bei großvolumigeren Ka- nälen hätten problemlos zwei bis drei Stränge fächerförmig in die Komposit- masse eingebracht und polymerisiert werden können. Zweite Phase: Stumpfaufbau In der zweiten Phase wurde zunächst zur Einstellung der korrekten Länge im koronalen Strumpfaufbau das faserver- stärkte Kompositmaterial mit einem langsam rotierenden Diamanten ohne Wasserkühlung vorsichtig um circa 1,5 mm gekürzt (Abbildung 5g). Um die Sauerstoffinhibitionsschicht zu schützen und eine Kontamination mit Wasser zu vermeiden, wurde der Schleifstaub vorsichtig mit Luft ent- fernt. Anschließend wurde ein fließ- fähiges Bulk-Fill-Komposit um den fa- serverstärkten Kompositstrang herum im Sinne eines Stumpfaufbaus appli- ziert und lichtgehärtet (Abbildungen 5h–5j). Die aufgrund des Verzichts auf eine Matrize entstandenen marginalen Überhänge konnten mit einem fein- körnigen Separierdiamanten sowie einem sichelförmigen Skalpell (Nr. 12) gezielt entfernt werden. Da sich die Restauration im ästhetisch relevanten Frontzahnbereich befindet, war darauf zu achten, dass das fließ- fähige Bulk-Fill-Komposit eine passende Zahnfarbe aufweist. Universalfarben, die bei Bulk-Fill-Kompositen oftmals zur Anwendung im Seitenzahnbereich angeboten werden, hätten die direkte Kompositkrone möglicherweise etwas zu grau erscheinen lassen können. Die zweite Restaurationsphase der R3- Technik verfolgte das Ziel, einen zap- fenartigen Stumpfaufbau mit einem vollständig bedeckten Kern aus faser- verstärktem Kompositmaterial zu er- halten (Abbildung 5j). Dritte Phase: direkte Kompositkrone Die dritte Phase der R3-Technik be- inhaltete die Herstellung einer direkten Kompositkrone am Frontzahn. Da nach Abschluss der zweiten Phase eine Art „Zapfenzahn“ als Ausgangssituation hergestellt worden war, konnten hier die Prinzipien zur Herstellung einer Zahnformkorrektur Anwendung fin- den, die hier jedoch nicht im Detail erläutert werden. Zu Beginn wurde mit einer Schmelz- masse die palatinale Wand geschichtet (Abbildung 5k). Die Herstellung der palatinalen Wand kann nach vorheri- gem Wax-up am Modell mithilfe eines Silikonschlüssels erfolgen, alternativ kann die Kompositmasse wie in diesem Fall auch gegen den palatinal als Widerlager platzierten Finger des Behandlers geschichtet werden. Die approximalen Wände wurden mit der c g | 57
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