Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 110, Nr. 1-2, 16.1.2020, (74) „stabil“, führte PD Dr. Benedikt Spies aus Berlin aus und zitierte einige Studien mit Fünf-Jahres-Überlebensraten. Allerdings seien die Indikationen für einteilige Keramik- implantate begrenzt. Für zweiteilige Multimaterialsysteme sei eine Einschätzung sehr komplex, da es hier noch an Langzeitdaten fehlt. Die Osseointegration sei vergleichbar mit Titanimplantaten. Ein systematisches Review von Pieralli et al. aus 2017 zeige, dass Keramikimplantate aus Zir- kon im Fall des Scheiterns meist innerhalb des ersten Jahres verloren gehen, insbesondere während der Einheilphase. „Sind sie erst einmal gut osseointegriert, bleibt die Über- lebenskurve nahezu konstant“, betonte Spies. Hohe Über- lebensraten zeigen ihm zufolge Einzelkronen und drei- gliedrige Brücken aus Zirkon. Bei verblendetem Zirkonoxid müssten die BehandlerInnen allerdings mit vielen Abplat- zungen rechnen. Prof. Michael Stimmelmayr aus Cham sprach sich für Titan- implantate aus, für ihn überzeugen diese in drei wesent- lichen Punkten: bei der mechanischen Stabilität, bei der Osseointegration und bei der Biokompatibilität. Sie ließen sich zudem funktionell und ästhetisch suffizient versorgen und seien wissenschaftlich sehr gut untersucht. In einer Studie aus 2015 hatten Forscher um van Velzen 374 Titan- implantate bei 177 Patienten nach zehn Jahren untersucht. Ergebnis: 99,7 Prozent Überlebensrate. Einen Knochenver- lust von über zwei Millimetern gab es nur bei 4,2 Prozent der Implantate. Zwar bestehe eine Verbindung zwischen dem Vorliegen von Titanpartikeln, der Biokorrosion von Implantatoberflächen und einer Periimplantitis, doch für eine kausale Beziehung gebe es noch keine ausreichende Evidenz. „Warum soll man seinen Patienten nicht eine Gold- teilkrone anbieten oder ein Titanimplantat, wenn sie es ver- tragen? Wir wollen doch niemandem eine schlechtere The- rapie anbieten, nur damit es metallfrei ist“, so Stimmelmayr. FESTE ODER HERAUSNEHMBARE SUPRAKONSTRUKTIONEN? Um feste oder herausnehmbare Suprakonstruktionen drehte sich eine weitere Session, die von Prof. Stefan Wolfart aus Aachen moderiert wurde. Er erinnerte daran, dass Prothe- tikerInnen für ihre PatientInnen jeweils individuell Zahn- ersatz schaffen sollen, der sich auch gut reinigen lassen muss. „Die Patienten wünschen sich feste Zähne“, sagte Prof. Hannes Wachtel aus München in seinem Vortrag. Dies belegte er an zwei Fällen. Beide Patienten fühlten sich lange unsicher mit ihrem Zahnersatz. Es war ihnen aus Scham über ihren optisch und funktionell schlechten Zahnersatz unangenehm, vor Menschen zu sprechen oder in Gesell- schaft zu lächeln. Sie suchten dann seine Praxis auf, um endlich „feste und schöne Zähne“ zu bekommen. PatientIn- nen mit „failing dentition“, nennt Wachtel solche Fälle, die mit 83 Prozent die Mehrheit der versorgungsbedürftigen PatientInnen stellen. Lediglich 17 Prozent sind laut Wachtel tatsächlich zahnlos und oft schon mit gut sitzenden Total- prothesen zufriedenzustellen. PatientInnen mit „failing dentition“ jedoch, die vielleicht noch festsitzend, aber zum Beispiel aufgrund von fortgeschrittener Parodontitis inzwischen insuffizient versorgt sind, wünschten sich auch weiterhin eine möglichst festsitzende „vierte Dentition“. Dr. Detlef Hildebrand aus Berlin referierte über die klinischen Vorteile herausnehmbarer Suprakonstruktionen. „Wir müs- sen für den individuellen Patienten das beste Konzept fin- den, ob es nun Doppelkronen, Steg-und-Riegel-Konstruktio- nen oder festsitzender Zahnersatz ist“, sagte er. Deshalb müsse man berücksichtigen, „dass die 60-jährigen Patien- ten, die Sie heute festsitzend versorgen, in 20 Jahren 80 sind. Und in keinem Pflegeheim wird es eine Pflegekraft geben, die den festsitzenden Zahnersatz ordentlich putzt“. Zahnärzte müssten also bedenken, dass ihre Patienten auch in 15, vielleicht sogar 20 Jahren in der Lage sein müssen, ihren Zahnersatz selbst zu pflegen. In dieser Hinsicht seien herausnehmbare Stegarbeiten manchmal die bessere Alter- native, weil sie einfacher zu pflegen sind. Er warnte aller- dings davor, gegenüber Patienten, die sich eigentlich fest- sitzenden Ersatz wünschten, von herausnehmbaren Zähnen Foto: David Knipping Wer erfolgreich sofort implantieren möchte, müsse im Vorfeld bei seinen Patienten darauf achten, dass dafür auch günstige Bedingungen gegeben sind. Mehrere Risikofaktoren zusammen ließen keine sichere Prognose zu, sagte Prof. Henning Schliephake aus Göttingen. SOFORTIMPLANTATION IN EINER LIVE-OP Zum ersten Mal bei einer DGI-Jahrestagung konnten die Zuschauer eine Live-Operation mitverfolgen, die aus der Frankfurter Universitätszahnklinik übertragen wurde. Oberarzt Dr. Puria Parvini extrahierte einen frakturierten, wurzelkanalgefüllten Zahn 11. Zahn- technikermeister Thorsten Peter hatte im Vorfeld den Fall gemeinsam mit Parvini digital für eine Sofort- implantation durchgeplant. Nach der erfolgreichen Operation erhielt der Patient gleich ein bereits fertig gestelltes Provisorium. 76 | ZAHNMEDIZIN

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