Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02
zm 110, Nr. 1-2, 16.1.2020, (83) Horst Seehofer mit seinem Gesund- heitsstrukturgesetz (GSG, 1993) Pflöcke einschlug. Das Gesetz galt als Auftakt zum Wettbewerb in der GKV – es brachte die Wahlfreiheit der Versicher- ten in der GKV ebenso wie den Risiko- strukturausgleich der Krankenkassen, und eine Budgetierung der ärztlichen und zahnärztlichen Vergütung. Den zerstrittenen Zahnärzten fiel es schwer, den Plänen der Politik stark gegenüber- zutreten. In dieser Situation hatten standes- politische Kollegen angeregt, Willmes als Kandidaten für einen Neuanfang vorzuschlagen. Willmes erinnert sich: „Kammerarbeit auf Bundesebene hatte ich zunächst gar nicht so im Fokus – bis ich gefragt wurde, ob ich daran Interesse hätte. Man brauchte einen Standespolitiker, der ausgleichend agierte und die Interessen beider Par- teien bündeln konnte. Mein Job sollte es also sein, die ‚ feindlichen Brüder‘ wieder zusammenzubringen.“ So ge- schah es auch: Am 23. Januar 1993 fand in Münster eine außerordentliche Bundesversammlung statt. ADZ und BDZ schlossen sich mit einer neuen Satzung zur „Bundeszahnärztekammer – Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Zahnärztekammern (BZÄK)“ zusam- men. Mit überwältigender Mehrheit wurde Willmes von den Delegierten als „Mann des Ausgleichs und des Neuanfangs“ zum Präsidenten ge- wählt. Vizepräsidenten wurden Dr. Wolfgang Sprekels (Hamburg), Dr. Jobst-Wilken Carl (Osnabrück) und Dr. Joachim Lüddecke (Leipzig). Auf der konstituierenden Sitzung des Vor- stands wurden Dr. Dr. Josef Kastenbauer (Altötting) und Dr. Peter Boehme (Bre- men) gewählt. Vertreter beider „Lager“ wurden in die Gremienarbeit einge- bunden; die neue Bundesorganisation, die BZÄK, kehrte zur sachlichen Inte- ressenvertretung zurück. „Es gab zunächst ein Riesenmisstrauen von beiden Seiten“, erinnert sich Willmes, dem es aber rasch gelang, den inneren Frieden des Verbands wiederherzustellen. Nun galt es sich verstärkt den Herausforderungen von außen zu stellen. Willmes: „Ich habe schnell gemerkt, dass die Zahnärzte im politischen Geschehen als nicht so be- sonders wichtig angesehen wurden.“ Der Auftrag war klar: Vertrauen auf- bauen und konsequent für die Interes- sen der Zahnärzte in der Politik wer- ben – und das im Team mit seinen Vizepräsidenten. „Verhandlungen statt Konfrontation“, lautete das Motto. So führte Willmes in seiner Amtszeit von 1993 bis 2000 unzählige Gespräche mit Politikern. Dazu gehörten – neben Bundesgesundheitsminister Seehofer – Wolfgang Schäuble, der damalige CDU-Bundesvorsitzende, Angela Merkel als CDU-Generalsekretärin, Dieter Thomae (FDP) als Vorsitzender des Bundestags-Gesundheitsausschusses, Klaus Kirschner, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion oder Eberhard Diepgen (CDU), der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin. Einen besonderen Draht konnte er – trotz unterschiedlicher po- litischer Ansätze – zur Grünen-Politike- rin und damaligen Bundesgesundheits- ministerin Andrea Fischer aufbauen. Der politische Tenor der BZÄK damals: im Dialog bleiben, für die Belange des Berufsstands kämpfen und – wenn erforderlich – Widerstand zeigen. Das betraf vor allem die geplante Struktur- reform im Gesundheitswesen und die Budgetierung. Ebenso wichtig wie die politischen Gespräche war dem Präsidenten die Öffentlichkeitsarbeit. „Wir haben heute ein relativ gutes Ansehen in der Öf- fentlichkeit“, resümiert Willmes. „Das war nicht immer so. Themen wie Amalgam oder Abzocke erhitzten die Gemüter: Die Meinung über den Berufsstand war furchtbar schlecht.“ Seine Taktik: Er führte unzählige Gespräche mit Pressevertretern und Meinungsmachern. Und er unternahm Journalistenfahrten mit Medienvertre- tern und Standespolitikern, unter anderem nach Bern, Warschau und Edinburgh, um das deutsche Gesund- heitssystem mit dem anderer Länder zu vergleichen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit war Willmes auch international sehr wichtig. Nicht nur, dass er als Delegierter und späterer Delegationsleiter so gut wie keinen Kongress des Weltzahnärzteverbands FDI ausgelassen hat – 1995 wurde er auf demWeltkongress in Hongkong in den FDI-Rat gewählt. Besonderes Augenmerk legte er wäh- rend seiner Amtszeit auf die engere Zusammenarbeit mit osteuropäischen Standesvertretungen. 1996 unter- schrieb die Bundeszahnärztekammer einen Kooperationsvertrag mit der polnischen Hauptärztekammer (die auch die Zahnärzte umfasst). Mit der tschechischen Zahnärztekammer unterzeichnete Willmes 1997 ein Ab- kommen anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens. Außerdem erfolgte eine Mitwirkung am tschechischen Wissen- schaftskongress, der eine internationale Ausrichtung hatte und an dem sich auch deutsche Wissenschaftler beteilig- ten. Regelmäßig fanden auf Initiative der BZÄK weitere Treffen und Konfe- renzen mit verschiedenen Zahnärzte- „Wir haben heute ein relativ gutes Ansehen in der Öffentlichkeit. Das war nicht immer so.“ Dr. Fritz-Josef Willmes Foto: Winkler Studios Abb. 4: Mit Vizepräsident Dr. Wolfgang Sprekels Foto: zm-sg | 85
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